Briten müssen bis Anfang Juli raus – oder an EU-Wahl teilnehmen
Noch ist unklar, ob Großbritannien überhaupt ein Brexit-Aufschub gewährt wird. Sollte dies aber der Fall sein, muss das Land bis spätestens 1. Juli ausgetreten sein. Einzige Alternative wäre die Teilnahme an der Europawahl Ende Mai.
Brüssel, London – Tag für Tag geistern derzeit Brexit-Szenarien durch die europäische Medienlandschaft. Ein Dokument, das am Freitag an die EU-Botschafter verteilt wurde, beinhaltet nun zumindest eine Art Weichenstellung für den Austritt Großbritanniens, wie die Financial Times am Montag berichtete. Demnach müssen die Briten die Europäische Union bis spätestens 1. Juli verlassen oder an der EU-Wahl teilnehmen, die von 23. bis 26. Mai stattfindet.
Das fünfseitige Papier wurde beim Treffen der EU-Botschafter am Freitag in Brüssel verteilt. Da das neu gewählte Europaparlament am 2. Juli erstmals zusammentreten wird, sollte London „keine Verlängerung über den 1. Juli hinaus gewährt werden, wenn dort keine Europawahlen zu dem festgesetzten Datum stattgefunden haben“, heißt es darin. Das Papier beschreibt erstmals offiziell die entscheidenden Weichenstellungen für die mögliche Verlängerung des Austrittsprozesses.
Keine Option ist, dass die Briten nicht wählen, aber die Frist trotzdem über den Juli hinaus verlängert wird. Der Idee eines Sonderstatus für Großbritannien für die Übergangsphase erteilte das Generalsekretariat des EU-Rates bereits eine klare Absage.
Kaum noch ein Ausweg
Ob es überhaupt zu einem Aufschub des Austritts bis Juli kommen darf, sollen die verbleibenden EU-Staaten beim Gipfel diesen Donnerstag und Freitag in Brüssel entscheiden. Ohne eine Fristverlängerung muss Großbritannien am 29. März die EU verlassen – nach derzeitigem Stand mit einem „Hard Brexit“. Derzeit spricht nicht viel dafür, dass Premierministerin Theresa May das Ruder noch auf dramatische Weise herumreißen kann und die Parlamentarier ihrem mit der EU ausgehandelten Deal zustimmen.
May will das Parlament bis zum 20. März erneut über den Austrittsvertrag abstimmen lassen. Davor bräuchte sie aber wohl neue Zugeständnisse der EU. Das Abkommen wurde bereits zweimal im Parlament abgelehnt. Die EU lehnt Nachverhandlungen allerdings ab.
Die Skepsis in der EU ist auch groß, was ein kurzer Aufschub an der verfahrenen Situation ändern würde. In wenigen Wochen könnte kaum ein neues Abkommen ausgehandelt werden. Am Ende der verlängerten Austrittsfrist würde doch nur wieder ein drohender Chaos-Brexit stehen. Die EU fordert in diesem Fall einen konkreten Plan Großbritanniens.
Beteiligung an EU-Wahl kaum vorstellbar
Aber auch eine längere Frist und damit eine Beteiligung der Briten an der EU-Wahl gilt derzeit als unwahrscheinlich. Dieses Szenario würde eine Reihe von neuen Fragen aufwerfen, weswegen sich zahlreiche EU-Politiker dagegen ausgesprochen haben. Auch in Großbritannien ist eine Beteiligung kaum vorstellbar – vor allem, wenn das Land am Austritt festhalten sollte.
Eine Teilnahme an der Wahl würde auch die Zahl der Mandate für die anderen EU-Länder verändern, weil ein Teil der durch den Brexit wegfallenden Mandate anderen EU-Staaten zugeschlagen wurde, das Europaparlament aber nicht mehr als 751 Sitze haben darf. Österreich würde dann weiterhin 18 von 751 Mandaten haben statt 19 von 705 wie nach der geltenden Planung für die Europawahl 2019.
Zweites Referendum nicht in Sicht
Für London besteht bis zum Austrittsdatum auch die Möglichkeit, den Brexit-Antrag ohne Zustimmung der EU einseitig zurückzunehmen. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof im Dezember. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Nötig wäre wohl ein zweites Referendum, um so eine Kehrtwende zu legitimieren. May ist strikt dagegen und warnt vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie, nachdem die Briten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt hatten.
Die Labour-Opposition ist für eine neue Volksabstimmung, doch hat die Idee keine Mehrheit im Unterhaus. Einige in der EU sehen das trotzdem als Option. (TT.com, APA, Reuters)