Deutschland

,,Ahoj Leipzig“: Ausblick auf das literarische Frühjahr bei der Buchmesse

Aus Österreich haben sich 173 Aussteller mit ihren aktuellen Programmen zur Leipziger Buchmesse angekündigt.
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Am Donnerstag beginnt die Leipziger Buchmesse: Rund 2500 Aussteller erlauben einen Ausblick auf das literarische Frühjahr. Gastland ist heuer Tschechien.

Leipzig — Der Frühling kommt, und er bringt auch neuen Stoff in die Regale der Buchhändler. Präsentiert werden die neuen Programme vom 21. bis 24. März auf der Leipziger Buchmesse und dem angedockten Festival „Leipzig liest". Die Veranstalter haben 3600 Veranstaltungen an 500 Orten organisiert. Das diesjährige Gastland der Messe, Tschechie­n, beteiligt sich unter dem Motto „Ahoj Leipzig" mit 130 Lese- und Diskussionsveranstaltungen. 55 Autorinnen und Autoren aus Tschechien haben sich angekündigt. Zwei davon — Buchpreiskandidat Jaroslav Rudi?s und der Illustrator und Comiczeichner Jaromír S?vejdík alias Jaromír 99 — verantworten sogar den inoffiziellen Buchmessenauftakt: Bereits heut­e Abend treten sie mit ihrer Kafka-­Band in Leipzig auf. Der Buchmesse-Auftritt Tschechien­s ist zudem eingebettet in ein ganzes tschechisches Kulturjahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Und dieses schlägt sich auch in der Zahl der diesjährigen Neuübersetzungen aus dem Tschechischen nieder. Erscheinen durchschnittlich fünf bis sechs tschechische Bücher jährlich in deutscher Übertragung, werden heuer allein in Leipzig rund 70 neue oder neuübersetzte Titel präsentiert. Insgesamt werden bei der Leipziger Buchmesse mehr als 2500 Aussteller aus rund 50 Ländern erwartet. 173 Aussteller kommen aus Österreich. Ins Rennen um die renommierten Preise der Buchmesse haben es heuer keine heimischen Titel geschafft. Neben der Kategorie Belletristik (siehe unten) werden diese auch in den Sparten Sachbuch und Übersetzung vergeben. Die Sieger werden am Donnerstag gekürt. Dotiert sind die Auszeichnungen mit jeweils 20.000 Euro.

Im Rahmen der Buchmess­e wird zudem der Kinder- und Jugendbuchpreis „Luchs" vergeben. Dieser geht heuer an US-Autor Jason Reynolds und seine Übersetzerin Anja Hansen-­Schmidt für den Roman „Ghost". Wie berichtet, erhält die Essayistin Masha Gesse­n zum Start der Messe den Buchpreis zur Europäischen Verständigung. (TT)

Gelesen: Die Nominierten für den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse

Am Vorabend des Weltenbrands

Ein Archäologe sitzt im Zwischenstromland und grübelt über die Zukunft und die Vergangenheit nach. Der Blinddarm zwickt — und die Großmächte steuern, wir schreiben 1913, auf den Weltenbrand zu. Kenah Cusanits „Babel" ist ein wort- und wirkmächtiger Vorabendroman. Und durchaus zu Recht einer der Favoriten auf den Preis der Leipziger Buchmesse. (jole)

Roman Kenah Cusanit: Babel. Hanse­r, 272 Seiten, 23,70 Euro.

Eine Zugfahrt in die Vergangenheit

Ein Hundertjähriger steigt in den Zug — und sucht eine Welt, die es nicht mehr gibt. Jaroslav Rudis?' erster auf Deutsch verfasster Roman „Winterbergs letzte Reise" ist ein tragikomischer, wunderbar rhythmischer und sprachlich feiner Trip durch Europas an Geschichten reiche Geschichte — und er wäre ein verdienter Preisträger. (jole)

Roman Jaroslav Rudis?: Winterbergs letzte Reise. Luchterhand, 228 Seite­n, 24,70 Euro.

Mosaik geheimer Sehnsüchte

Matthias Nawrat­s „Der traurige Gast" setzt sich aus verschiedenen Erzählungen zusammen. Gleich einem Mosaik entsteht nach und nach ein Gesamtbild. Genau genommen: ein Zeitbild. Es geht um Einsamkeit, Unsicherheit, Anonymität und geheime Sehnsüchte. Um Terror hingegen, da irrt der Klappentext, geht es kaum. (jole)

Roman Matthias Nawrat: Der traurig­e Gast. Rowohlt, 304 Seiten, 22,70 Euro.

Wut auf die Welt — und überhaupt

Resi ist Mitte 40 — und überfordert. Mit der Welt und überhaupt. Deshalb ist sie zornig. Anke Stellings „Die Schäfchen im Trockenen" ist eine überwältigende Untersuchung heutiger Alltagswut. Ihre Protagonistin rechnet ab, Stelling hingegen führt vor, was droht, wenn Zorn den Blick aufs wirklich Wesentliche vernebelt. (jole)

Roman Anke Stelling: Die Schäfchen im Trockenen. Verbrecher Verla­g, 266 Seiten, 22,70 Euro.

Die Verschwiegenen kommen zur Sprache

Ein ambitioniertes Projekt: Feridun Zaimoglu erzählt Weltgeschichte aus weiblicher Perspektive, von Antigone bis zur Arbeitsmigrantentochter. Denen, die lange verschwiegen wurden — oder schweigen mussten —, wird zur Sprache geholfen. „Die Geschichte der Frau" ist „mansplaining" der erträglicheren Art. (jole)

Roman Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau. Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten, 24,70 Euro.