Gesundheit

Nichts schmeckt mehr: Was Lust auf Essen macht

Einem hat es nicht geschmeckt. Tumorpatienten leiden oft unter Geschmacksveränderungen und möchten deswegen gar nichts essen.
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Wer beim Essen nichts oder wenig schmeckt, verliert Freude und Gewicht. Häufig sind Tumorpatienten betroffen. Doch es gibt einfache Tricks, die Lust aufs Essen machen können.

Von Theresa Mair

Innsbruck –Essen ist Freude. Wenn es nicht mehr schmeckt, ist viel Lebensqualität weg. „Wer einkaufen geht, wählt die Lebensmittel, die einem schmecken. Man geht nicht Kalorien einkaufen und man geht auch nicht ins Restaurant, um Kalorien aufzunehmen, sondern weil das Essen schmeckt“, gibt August Zabernigg, Primar der Abteilung für Innere Medizin im Bezirkskrankenhaus Kufstein, einen Eindruck über die Relevanz des guten Geschmacks, der im Alltag meist als selbstverständlich betrachtet wird.

Im Krankenhaus hat Zabernigg jedoch oft mit Patienten zu tun, die vor allem im Rahmen einer Tumorbehandlung – mit Chemotherapie oder mit Thyrosinkinase-Hemmern – unter Geschmacksstörungen leiden. Beim 36. Ernährungs-Kongress des Verbands der Diätologen Österreichs am 28. und 29. März in Wien wird der Fokus heuer auf das Thema „Diätologie und Onkologie“ gerichtet. Zabernigg referiert dann über Geschmacksveränderungen, die in Kufstein bereits seit vielen Jahren systematisch erhoben werden.

Seit 2004 füllt dort jeder Tumorpatient bei jedem Termin einen Fragebogen zu seiner Lebensqualität aus – zwei Fragen darunter beziehen sich auf das Geschmacksempfinden. Die Auswertung übernimmt ein Team vom Department für Psychotherapie und Psychiatrie der Med-Uni Innsbruck. „2010 konnten wir publizieren, dass 70 Prozent der Patientinnen und Patienten unter Chemotherapie an Geschmacksstörungen leiden. Bei einem Symptom, das bei 70 Prozent der Patienten auftritt, sollte man aufmerksam werden und etwas unternehmen“, sagt Zabernigg. Doch das Thema werde im Arzt-Patienten-Gespräch noch selten angesprochen, andere Symptome und Therapie-Nebenwirkungen würden ernster genommen.

„Dabei handelt es sich um die Störung eines elementaren Sinns.“ Und diese äußert sich sehr unterschiedlich. Manche Betroffenen schmecken gar nichts mehr oder viel weniger intensiv, andere reagieren extrem sensibel auf bestimmte Geschmacksqualitäten wie süß oder salzig.

Einige Patienten haben das eingeschränkte Empfinden nur während der Therapiezyklen und der Geschmack kehrt in den Chemo-Pausen zurück, andere müssen während der gesamten Behandlungszeit mit der Geschmacksveränderung zurechtkommen. Die Störung könne aber auch als Frühsymptom einer Erkrankung wie Krebs, Parkinson oder Demenz auftreten, manchmal stecke auch etwas Harmloses dahinter. „Alltagsmedikamente wie Blutdruckmittel oder Antibiotika können ebenso Geschmacksveränderungen auslösen wie eine Chemotherapie“, schildert Zabernigg.

Das Problem dabei: Wenn alles nach Styropor oder Papier schmeckt, verliert man die Lust am Essen. „Ich hatte einen Patienten, der hatte seine Therapie schon fast überstanden und kaum klassische Nebenwirkungen verspürt. Er konnte sogar jeden Tag 100 Kilometer Rad fahren. Aber er saß vor mir und sagte: ,So macht das Leben keinen Sinn mehr.‘“ Die Betroffenen brauchen aber Energie, um die Behandlung durchzustehen.

Deswegen ist diätologische Begleitung wichtig. Es besteht die Gefahr, dass – auch übergewichtige – Patienten unbemerkt in eine Mangel­ernährung schlittern und das Verhältnis zwischen Muskel- und Fettanteil im Körper nicht mehr stimmt. Die Betroffenen essen entweder zu wenig oder sie ernähren sich zu einseitig.

Mit einem neuen Projekt, das Zabernigg und sein Team mit der Diätologin Isabella Huber durchführt, möchten die beiden Experten mit Messungen der Körperzusammensetzung solche Entwicklungen rechtzeitig abfangen. Huber erarbeitet mit den Betroffenen Strategien, die das Essen erleichtern sollen.

Vor, während und nach der Chemotherapie dürfen die Patienten übrigens Eis schlecken. Die Kühlung der Mundschleimhaut verhindert, dass zu viel des Medikaments dorthin gelangt und beugt so einer schmerzhaften Entzündung etwas vor. Zabernigg hat aber noch eine erfreuliche Nachricht: „Wenn die Therapie überstanden ist, kommt der Geschmack meistens wieder zurück.“

G‘schmackige Tipps von Diätologin Isabella Huber

Verschiedene Konsistenzen wie weich, körnig, flüssig, cremig bringen Abwechslung. Das appetitliche Anrichten in kleinen Portionen beeinflusst die Motivation zum Essen positiv — ebenso wie das Durchlüften vor dem Essen und eine angenehme Atmosphäre.

Sparsam salzen und würzen bei der Zubereitung der Speisen, damit man später nach eigenem Empfinden nachwürzen kann.

Kalt riecht weniger. Geruchsempfindlichen Patienten hilft es, wenn die Speisen kühler serviert werden.

Keine Scheu vor „schrägen" Gelüsten! Wenn man Lust auf Fleisch mit Bitterschokolade, Käsebrot mit Marmelade oder süße Marinaden hat, nur zu! In der Krankheit verändern sich oft die Geschmäcker.

Mund regelmäßig spülen. Tee­mischungen mit Schafgarbe, Ingwer, Rosmarin u. v. m. aus der Apotheke haben sich bewährt.

Frucht-Eiswürfel erfrischen, Kaugummi und Zuckerl auch. Sekt-Spülungen und Tonic Water können metallischen Geschmack lindern.