EU

Weber strebt wohl Suspendierung von Fidesz durch EVP an

Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei gilt als aussichtsreichster Kandidat für den Posten als nächster Kommissionspräsident.
© FREDERICK FLORIN / AFP

Die Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán könnte temporär aus der EVP suspendiert werden. Dann will Fidesz jedoch austreten.

Brüssel, Budapest – Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, strebt bei der Vorstandssitzung der Partei am Mittwochnachmittag in Brüssel offenbar eine temporäre Suspendierung der ungarischen Regierungspartei Fidesz an. Bundeskanzler Sebastian Kurz gab am Mittwoch bekannt, die ÖVP würde einen solchen Vorschlag unterstützen.

Zuvor hatte sich bereits die deutsche CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine Suspendierung ausgesprochen. „Solange Fidesz das Vertrauen nicht vollständig wiederherstellt, kann es nicht bei einer normalen Vollmitgliedschaft bleiben“, sagte Kramp-Karrenbauer am Mittwoch. „Ein satzungsmäßiges Einfrieren der Mitgliedschaft und der damit verbundenen Rechte, wie von Manfred Weber angedacht, wäre ein gangbarer Weg.“ Weber gehört der bayerischen Schwesterpartei der CDU, der CSU, an.

13 EVP-Mitgliedsparteien aus Portugal, Griechenland, Bulgarien, Schweden, Finnland, Litauen, Belgien, Luxemburg sowie dem Nicht-EU-Land Norwegen hatten einen Ausschluss von Fidesz aus der Europapartei gefordert und damit das Votum vom heutigen Mittwoch vom Zaun gebrochen.

Bereits länger Streit über Kurs Orbans

Orban, dessen Partei Ungarn seit 2010 mit überwältigender Mehrheit regiert, liegt unter anderem aufgrund des Umgangs seiner Regierung mit Justiz, Medien und NGOs sowie mit Flüchtlingen seit langem über Kreuz mit Teilen der EVP. Er selbst wirft dieser wiederum vor, allzu liberal geworden zu sein und das christdemokratische Erbe verraten zu haben. Unmittelbarer Auslöser für das jetzige Vorgehen gegen Fidesz war eine Plakatkampagne der ungarischen Regierung gegen EU-Kommissionspräsident und EVP-Urgestein Jean-Claude Juncker gewesen, wo Juncker eine Förderung der illegalen Migration und ein Bündnis mit Orbans erklärtem Hauptfeind, dem ungarischstämmigen US-Financier George Soros, vorgeworfen wurde. Juncker forderte am Mittwoch erneut den Ausschluss von Fidesz aus der EVP.

Weber hatte von Orban ein Ende der Plakatkampagne, eine Entschuldigung bei den EVP-Mitgliedsparteien – die Orban in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ als „nützliche Idioten“ der Linken bezeichnet hatte – sowie Rechtssicherheit für die von Soros gegründete Budapester Central European University (CEU) gefordert. Aufgrund des Vorgehens der Regierung muss die Universität ihre in den USA akkreditierten Programme ab Herbst in Wien weiterführen.

Weisenrat soll Lösung erarbeiten

Bundeskanzler Kurz sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, Weber werde dem EVP-Vorstand vorschlagen, dass die Mitgliedschaft der Fidesz eingefroren wird und die nächsten sechs Monate mit einem Weisenrat an einer Lösung gearbeitet wird. Die drei Bedingungen Webers habe Orban seinen Informationen nach akzeptiert. Kurz wird bei der Sitzung des Vorstands in Brüssel von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer vertreten.

Orban wird persönlich vor dem EVP-Vorstand auftreten. Er soll laut einem Bericht der ungarischen regierungsnahen Zeitung Magyar Nemzet (Mittwochausgabe) eine „markante Rede“ vorbereitet haben. „Er wird entschieden für den vom Fidesz schon bisher vertretenen, die Migration ablehnenden und die christlichen Werte schützenden Standpunkt plädieren“, hieß es.

Die ungarische rechtsnationale Regierungspartei Fidesz will bei Suspendierung ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei (EVP) umgehend aus der Parteienfamilie austreten. Das kündigte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas am heutigen Mittwoch in Budapest an, wie die amtliche Nachrichtenagentur MTI berichtete. „Dies wäre die Vorstufe zu einem Ausschluss und damit inakzeptabel“, zitierte Magyar Nemzet. Der Politologe Zoltan Kiszelly brachte gegenüber dem Blatt indirekt erneut ein Bündnis mit der polnischen Regierungspartei PiS und der italienischen Lega ins Spiel. Die PiS gehört derzeit der Konservativen-Fraktion (EKR), die Lega wie die FPÖ der Rechtsaußen-Fraktion ENF an.

Strache will Orbán für Rechtsfraktion ins Boot holen

Vizekanzler Heinz-Christan Strache (FPÖ) erneuerte unterdessen seinerseits seine Einladung an Fidesz in eine künftige neue Rechtsfraktion. „Ja mein Angebot steht, ich schätze ihn. Sollte das der Fall sein, dass ein Ausschluss oder eine Suspendierung oder was auch immer erfolgt, dann wird er sich sicherlich auch um eine neue Fraktion bemühen“, sagte Strache in Wien im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Die österreichische Opposition kritisierte am Mittwoch in Aussendungen, dass weder Kurz, noch ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas bei dem Votum in Brüssel dabei sein werden. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda forderte die ÖVP auf, für einen Ausschluss von Fidesz zu stimmen. Der Grüne Bundessprecher und EU-Spitzenkandidat Werner Kogler schrieb: „Es gibt (...) schon längst ausreichend Gründe, sich von dieser autoritären Figur (Orban, Anm.) zu trennen.“ Auch Claudia Gamon von den NEOS forderte die ÖVP auf, Farbe zu bekennen. Nach der Ankündigung Kurz‘, eine Suspendierung zu unterstützen, schrieb sie: „Freiheit und Werte kann man nicht einfrieren.“ (APA/dpa/Reuters)