EVP-Streit - Orban will offenbar selbst austreten

Brüssel/Wien (APA) - In der EVP steht offenbar eine Zeitenwende bevor. Nach jahrelangen Querelen mit Ungarns Präsident Viktor Orban und dess...

Brüssel/Wien (APA) - In der EVP steht offenbar eine Zeitenwende bevor. Nach jahrelangen Querelen mit Ungarns Präsident Viktor Orban und dessen Fidesz-Partei wirft nun möglicherweise Orban selbst das Handtuch und verlässt die EVP. Die Europäische Volkspartei hatte zuletzt eine Suspendierung von Fidesz angestrebt und neue Auflagen für die ungarische Partei verlangt.

Orban dürfte diesen nun die Zustimmung verweigern und von sich aus den Schritt zum Austritt zu setzen, statt die Schmach einer Suspendierung und einer Art Beobachtung durch einen EVP-Weisenrat zu erleiden. Einem solchen Weisenrat hätte nach Informationen aus EVP-Kreisen vom Mittwoch vor Beginn der Vorstandssitzung der frühere EU-Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy vorstehen sollen. Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ sollten zudem Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sowie der frühere EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering dem Weisenrat angehören. Wenn Orban die EVP verlässt, erübrigt sich allerdings der Weisenrat.

Die von der EVP zuletzt formulierten zusätzlichen Bedingungen betreffend die Behandlung von NGOs, den Kampf gegen Korruption und den Missbrauch von EU-Geldern hätten das Fass zum Überlaufen gebracht, wurde berichtet. Zuvor hatte die EVP-Spitze mit Manfred Weber, der deutschen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, EVP-Chef Joseph Daul und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein sechsmonatiges Einfrieren der Mitgliedschaft von Fidesz in der Europäischen Volkspartei verlangt.

Orban selbst hatte sich noch vergangene Woche für seine Aussage entschuldigt, einige andere der EVP angehörende Parteien seien „nützlichen Idioten“ der Linken. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas kündigte nun am Mittwoch an, dass Fidesz die EVP bei einer Suspendierung selbst verlassen werde. Es gehe um die Ehre von Fidesz und von Ungarn, meinte er.

Mit dem Austritt der Fidesz aus der EVP schwinden auch die Chancen der größten europäischen Parteienfamilie bei den EU-Wahlen im Mai. Dies war auch mit ein Grund, warum die EVP selbst so lange keine klare Positionierung gegenüber Fidesz eingenommen hatte. Der EVP-Spitzenkandidat für die Wahlen und erste Anwärter auf den Posten des neuen Kommissionspräsidenten, Manfred Weber, hatte aber zuletzt klar gemacht, dass er von seinen Bedingungen nicht abweichen werde.

Beim EVP-Vorstand werden aber nur wenige Staats- und Regierungschefs vertreten sein. Neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel haben auch Kurz, Irlands Premier Leo Varadkar, Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow, Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis, der rumänische Präsident Klaus Johannis und Kroatiens Premier Andrej Plenkovic abgesagt. Auch von den rund 50 Parteivorsitzenden nehmen nur wenige teil. Die Anwesenheit von Kramp-Karrenbauer wird als Unterstützung für Weber gewertet.

Bei einem Austritt von Fidesz werden die Karten für die EU-Wahlen neu gemischt. Die EVP verliert mit Fidesz zwölf EU-Mandatare. Es könnte sein, dass sich die ungarische Partei dann einer rechtsgerichteten Fraktion anschließt. Möglich ist auch, dass die FPÖ mit der Fidesz, der polnischen PIS und der italienischen Lega einen Rechtsblock im Europaparlament bilden könnte. Gulyas war schon Ehrengast von Vizekanzler FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beim Opernball gewesen. Und die Avancen der FPÖ für ein Zusammengehen mit Fidesz hatte zuletzt auch der freiheitliche Delegationschef im EU-Parlament, Harald Vilimsky, bekräftigt.