„Generation Wealth“: Monstrositätenkabinett der Eitelkeiten
Lauren Greenfield zeigt in ihrem Dokumentarfilm „Generation Wealth“ eine Welt, in der eine Mauer die Reichen und Armen trennt.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Dreizehnjährige ziehen in der Schule 100-Dollar-Scheine aus ihren Taschen. Zum Abschlussball fahren sie bereits mit dem eigenen Rolls-Royce. Kate Hudson prahlt am ersten Schultag mit dem Starstatus ihrer Eltern. Zumindest Lauren Greenfield ließ sich davon beeindrucken. Wenn Mitschüler oder deren Eltern sie nach Hause brachten, stieg sie an der Straßenkreuzung aus, weil sie sich des billigen Autos ihres Vaters schämte. Diese Erinnerungen kramt ihr Vater hervor, der als Physiker nie das große Geld gemacht hat, aber dafür seinen Humor behalten konnte.
Die Fotografin und Regisseurin Lauren Greenfield zeigt im Dokumentarfilm „Generation Wealth“, wie sie bereits als Schülerin, umgeben von den reichsten Kindern in Los Angeles, ihr Lebensthema fand.
Angespornt von ihrer Mutter, einer Anthropologin, begann sie an der High School und in Harvard ihre Umwelt mit Fotoapparat und Filmkamera zu dokumentieren. Dabei erwischte Greenfield, Jahrgang 1966, einen historischen Moment. In den 80er-Jahren regierte mit Ronald Reagan ein Präsidentendarsteller, der das moralische Fundament Amerikas aushöhlte. Im Kino predigte Gordon Gekko die magische Kraft der Gier, die in Harvard wissenschaftlich untermauert wurde, um Spekulanten wie Florian Homm mit passenden Werkzeugen auszustatten.
25 Jahre später trifft Lauren Greenfield, noch immer im verrufenen Stadtteil Venice lebend, alle Protagonisten ihrer frühen Erkundungen wieder. Die Verhältnisse haben sich verschärft, in Washington regiert mit Donald Trump ein Verkäufer, der mit einer Reality-Show über das Verkaufen berühmt geworden ist.
Castingshows sind scheinbar das einzige Loch in der Mauer, die Reiche und Arme trennt. Da ist es kein Wunder, wenn sich Jugendliche auf der Suche nach Vorbildern im Labyrinth der TV-Unterhaltung verirren. In Las Vegas maskiert eine Mutter ihre vierjährige Tochter als Puppe im Zsa-Zsa-Gabor-Stil für Schönheitswettbewerbe. Es sind monströse Erscheinungsformen einer Hoffnungslosigkeit, in denen sich die Träumer verlieren. Dabei macht sich Greenfield über keinen lustig, zumal viele Ausflüge in die illuminierte Parallelwelt tödlich enden.
„Generation Wealth“ folgt der Globalisierung von Gier und Reichtum. In Moskau lassen Oligarchen Bälle aus „Krieg und Frieden“ nachstellen, ohne jemals Tolstoi gelesen zu haben. Für einen chinesischen Milliardär ist die Kopie des Weißen Hauses im Maßstab von 1:1 die einzig mögliche Unterkunft.
Letztlich gilt: Auf die Idee, „sich mit Geld alles kaufen zu können, können nur Leute kommen, die über keines verfügen“. Das lässt Greenfield den Anlagebetrüger Florian Homm sagen, der seit 2007 auf der Fahndungsliste des FBI ganz oben steht. Weinerlich erzählt der Deutsche, den die Staatsbürgerschaft vor der Auslieferung schützt, von seinem Absturz und seiner Läuterung. In diesem Monstrositätenkabinett ist er aber nur ein Kleindarsteller.