Freude an einer ernsten Sache
Ein Streifzug durch die Leipziger Buchmesse. Politische Botschaften, schrille Kostümierungen und Schlangen von Menschen, die sich um Autogramme anstellen.
Aus Leipzig: Gerlinde Tamerl
Leipzig –Das Gewandhaus war am Mittwochabend bis auf den letzten Platz gefüllt, und während das Publikum auf den Festakt anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse wartete, hatte man noch genug Zeit, den lateinischen Ausspruch von Seneca „Res severa verum gaudium“ zu übersetzen, der in großen Lettern am Gesims des 1981 erbauten Konzertsaals angebracht ist. Die Übersetzung lautet: „Eine ernste Sache ist eine wahre Freude.“
Dieser Ausspruch passt zu dieser Buchmesse ganz besonders, denn hier geht es nicht allein darum, die Freude an Büchern zu vermitteln, sondern es werden auch politische Inhalte verhandelt.
Alle geladenen Kulturminister sprachen sich für künstlerische Freiheit und ein vereintes Europa aus. Die deutsche Kulturministerin Monika Grütters warnte etwa vor populistischer Hetze und betonte, dass eine Demokratie die Kraft der Poesie benötige und damit „ihre Sprachkünstler und Freigeister“.
Eine Autorin stand an diesem Abend besonders im Mittelpunkt: Masha Gessen wurde für ihren Roman, der das totalitäre Regime Russlands durchleuchtet, mit dem „Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung“ ausgezeichnet.
Als kurz darauf das Gewandhausorchester dem Gastland Tschechien zu Ehren Smetanas „Die Moldau“ spielte, hellte sich die ernste Stimmung wieder auf und man prostete sich später mit dem Gedanken zu, dass der Strom des Erzählens niemals abreißen darf.
Menschenströme bewegen sich dieser Tage auch in das am Stadtrand gelegene Messegelände. Hier offenbart sich ein Bild der Vielfalt: Viele Nationalitäten sind zu sehen, darunter auch zahlreiche Schulklassen. Obwohl der Fasching längst vorbei ist, verkleiden sich viele Kids als Manga-Figuren, denn sie präsentieren ihre aufwändigen Kostüme bei der Manga Convention in der Hoffnung auf eine Auszeichnung. Sie ziehen mit bunten Perücken in Halle 1, denn hier dreht sich alles um japanische Comics, allerdings nicht nur in Buchform. Neben Comics wird viel Ramsch verkauft, etwa schrille Rucksäcke und überdimensionierte Stofftiere, also nichts für ein buchaffines Publikum.
Also folgt man dem Stimmen- und Menschengewirr in Richtung Halle 4, denn hier sind die Literatur und auch die österreichischen Verlage zu finden. An jeder Ecke diskutieren und lesen Autorinnen und Autoren, man sieht Erika Pluhar, auch Michael Köhlmeier, und staunt über die lange Menschenschlange, die noch schnell ein Autogramm von Krimiautorin Ingrid Noll ergattern will. Die Grande Dame der Kriminalliteratur ist umringt von Kameras und Mikrofonen. In kleinen Kojen reihen sich – ja, wirklich – Tausende Neuerscheinungen. Hier wird das größte Lesefest Europas veranstaltet.
„Die Verlage schätzen an dieser Messe das unmittelbare Feedback von Leserinnen und Lesern“, sagt Benedikt Föger, der Präsident des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels, und er ergänzt: „Hier stehen die Autoren im Mittelpunkt.“
Die TT traf im Gewusel der Buchmesse auch zwei bekannte österreichische Autoren, nämlich Doris Knecht und Bernhard Aichner. Was begeistert die beiden an dieser Veranstaltung? Sie kommen zu einem ähnlichen Befund: Sie freuen sich über den Austausch mit Journalisten und „Verlagsmenschen“ und genießen bei ihren Lesungen den Kontakt zu den Leserinnen und Lesern.