Rassismus-Report meldet Rekord, Hetze im Web in Überzahl
1.920 rassistische Vorfälle wurden dem Verein ZARA im letzten Jahr in Österreich gemeldet, fast 80 Prozent davon von Zeugen – die meisten davon im Internet. Als Schwierigkeit hob ZARA den Umgang mit Beschwerden über rassistische Handlungen der Polizei hervor.
Wien – Rassismus ist in Österreich offenbar weiter an der Tagesordnung. Der Jahres-Report der Anti-Rassismus-Initiative ZARA weist für das vergangene Jahr 1.920 gemeldete Fälle und damit einen Höchststand aus. 2017 waren es 1.162 Vorfälle. Der Anteil der Hetze im Web – mehrheitlich in Form von Hasspostings – macht inzwischen 60 Prozent aus. Kritisch beäugt wird aber auch der aktuelle politische Diskurs.
„Rassismus ist immer noch überall“, beklagte Geschäftsführer Hans Dieter Schindlauer am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Die gestiegene Zahl der Meldungen bedeute aber nicht automatisch, dass Rassismus immer stärker um sich greife, sondern mehr Menschen Zivilcourage zeigten, ergänzte Caroline Kerschbaumer, die die Beratungen bei ZARA leitet.
Noch mehr Vorfälle als vermutet
Von den 1.920 Rassismus-Fällen betrafen 2018 exakt 1.164 – und damit drei Fünftel – das Internet. Im Jahr davor waren es „erst“ 44 Prozent. Dabei sind Kommentare mit hetzerischen Inhalten in der Überzahl: Hasspostings kommen fast doppelt so häufig vor wie abwertende Positionen in ursprünglichen Beiträgen. Nicht allzu überraschend also, dass laut ZARA sechs von zehn rassistischen Online-Meldungen von Facebook-Nutzern kamen, gefolgt von Web- und Zeitungsforen und anderen Diensten wie YouTube oder Twitter.
Die Dunkelzahl der rassistischen Vorfälle vermutet ZARA höher, die Mehrheit der Vorfälle werde immer noch nicht gemeldet. Aus den Beratungsstellen weiß Kerschbaumer, dass der Grund dafür daran liege, „dass Betroffene solche Vorfälle ständig erleben. Sie haben das Gefühl, dass es nichts bringt.“ Schindlauer betonte, dass Rassismus in jedem Bereich zu finden sei. Es gebe aber schon gewisse „Trends“, die vom öffentlichen Diskurs geprägt seien. So gehe es seit einigen Jahren besonders gegen Muslime und Geflüchtete.
Hier hakte Wiens Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ein, der auf politischer Ebene „strukturellen Rassismus“ ortet, „wenn man zum Beispiel Erstaufnahmezentren in Ausreisezentren umbenennt“. Einen „rassistisch geführten Diskurs“ dürfe man aber nicht als „Normalität“ verstehen. Die meisten Menschen wollten in Frieden und Zusammenhalt leben, auch wenn sie derzeit vielleicht nicht besonders laut seien. „In politischen Hassreden ist Abwertung Programm und ein Versuch, das zu normalisieren“, übte auch Faika El-Nagashi, Menschenrechtssprecherin der Wiener Grünen, Kritik.
Polizei „im Umgang mit Beschwerden nicht toll“
Abseits von Social-Media-Plattformen gebe es viele Beschwerden in Richtung „Racial Profiling“ durch die Polizei. Darum legt der Bericht über 2018 auch einen speziellen Fokus auf die vorurteilsbehaftete Polizeiarbeit. Die Exekutive handle sehr oft professionell und vorbildlich, bei negativen Zwischenfällen werde aber gemauert und abgestritten. „Im Umgang mit Beschwerden ist die Polizei in Österreich nicht so toll“, sagt Geschäftsführer Schindlauer. So konnten von den 82 gemeldeten Fällen, in denen die Polizei verwickelt war, in nur acht formal Beschwerde eingebracht werden. Dafür würden Beschwerdeführer oft mit dem Vorwurf der Verleumdung konfrontiert. Es gebe bei ZARA sowohl Hinweise auf schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei als auch auf „kleinere“ Verletzungen gegen die Menschenrechte, so Schindlauer.
Hintergrund
Trauriger Anlass für die Einrichtung des Internationalen Tags für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung 1966 war das Blutbad im südafrikanischen Sharpeville am 21. März 1960. 20.000 Menschen demonstrierten an diesem Tag friedlich gegen diskriminierende Gesetze des Apartheid-Regimes. Die Polizei eröffnete das Feuer auf die Demonstranten. Dabei gab es 69 Tote und rund 180 Verletzte. Sechs Jahre später reagierte die UNO mit der Resolution zum Welttag gegen Rassismus.
„Das ist unserer Polizei nicht würdig, sie verliert an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Viele Menschen, die davon betroffen sind, verlieren ihr Sicherheitsgefühl“, prangerte Schindlauer an und richtete den Appell an das Innenministerium: „Liebe Polizei, habt den Mumm, zu Euren Fehlern zu stehen.“ Denn man wolle eine selbstbewusste Polizei, die aus Fehlern lernt.
Das Rathaus erhöht auch die Förderungen an ZARA. Gab es zuletzt 52.000 Euro an jährlicher Unterstützung, sind es ab sofort 80.000 Euro. Wobei heuer noch einmal ein Sonderzuschuss von 20.000 Euro draufgelegt wird, um ein Symposium im Herbst anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Vereins abhalten und die digitale Aufbereitung von Informationen – unter anderem des Rassismus-Reports – umsetzen zu können. (APA, TT.com)