Serbien gedenkt am Sonntag des 20. Jahrestags der NATO-Luftangriffe

Belgrad/Prishtina (Pristina) (APA) - Serbische Behörden wollen mit einer Gedächtnismesse und Gedenkfeier am Sonntagabend im südserbischen Ni...

Belgrad/Prishtina (Pristina) (APA) - Serbische Behörden wollen mit einer Gedächtnismesse und Gedenkfeier am Sonntagabend im südserbischen Nis den 20. Jahrestag der NATO-Luftangriffe gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien-Montenegro) begehen.

Die am 24. März 1999 gestarteten Bombardements folgten auf eine Reihe vergeblicher internationaler Bemühungen - zuletzt in Rambouillet - zur Beendigung des Kosovo-Krieges, der damals bereits seit über einem Jahr zwischen jugoslawischen Truppen und den Kämpfern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK tobte.

Die Bombenangriffe der NATO gegen Jugoslawien wurden als „humanitäre Intervention“ zugunsten der Kosovo-Albaner begründet. Während der Angriffe flohen zeitweilig mehr als eine Million Albaner vor den jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo.

Die Bombardements wurden nach 78 Tagen, am 9. Juni 1999, durch die Unterzeichnung eines Friedensplans im nordmazedonischen Kumanovo beendet. Die jugoslawischen Streitkräfte mussten aus dem Kosovo abziehen und der Weg zur Stationierung der NATO-geführten Schutztruppe KFOR wurde freigemacht. Nach Ende des Krieges flohen rund 200.000 Menschen, großteils Serben, aus dem Kosovo. Die damalige südserbische Provinz kam durch die am 10. Juni angenommene UNO-Resolution 1244, welche den Kosovo als einen Bestandteil Serbiens behandelte, unter die Verwaltung einer UNO-Mission (UNMIK).

Neun Jahre später, nach 18-monatigen erfolglosen Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina, wurde am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo ausgerufen. Der jüngste Staat Europas wurde mittlerweile von mehr als 100 Staaten - darunter auch von Österreich - anerkannt, allerdings nicht von Belgrad.

Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo lässt immer noch auf sich warten. Die Kosovo-Frage ist für Belgrad nach wie vor eine offene Wunde. Auch die 2011 von der EU initiierten Normalisierungsgespräche zwischen Belgrad und Prishtina haben bisher nur wenig Resultate gebracht.

Die bisher wichtigste Vereinbarung, jene vom April 2013, welche auch eine Art Autonomie für Kosovo-Serben vorsah, wurde nicht umgesetzt. Die kosovarischen Behörden befürchten, dass die Umsetzung der Vereinbarung ihr Land in einen funktionsunfähigen Staat ähnlich Bosnien-Herzegowina verwandeln würde.

Im vergangenen Sommer schien ein Durchbruch bei den Normalisierungsgesprächen schon nahe zu sein. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hatte sich für eine Grenzziehung mit dem Kosovo eingesetzt, ohne die Idee öffentlich näher zu erläutern. Sein kosovarischer Amtskollege Hashim Thaci sprach von einer Grenzkorrektur. Diese sollte nach seiner Ansicht auch den Anschluss von drei südserbischen Gemeinden - Presevo, Bujanovac und Medvedja - mit albanischem Bevölkerungsanteil an den Kosovo ermöglichen.

In beiden Staaten, aber auch in der internationalen Staatengemeinschaft sahen Kritiker in den Vorschlägen der zwei Präsidenten allerdings eine Destabilisierungsgefahr für die ganze Region.

Der Normalisierungsdialog, der immer wieder Rückschläge erlebte, liegt derzeit wieder einmal auf Eis. Nachdem es Serbien im November gelungen war, die Aufnahme des Kosovo in die internationale Polizeiorganisation Interpol zu verhindern, erwiderte die Regierung in Prishtina mit drastischen Zöllen für Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina. Heftige Reaktionen hat in Belgrad auch ein vom kosovarischen Parlament kürzlich angenommenes Positionspapier zur Fortsetzung der Normalisierungsgespräche ausgelöst.

Ohne die Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo werde Serbien nie in die Europäische Union kommen, meinte Vucic dennoch erst kürzlich. Allerdings könne auch der Kosovo nicht damit rechnen, ein konsolidierter Staat zu werden, solange er nicht ein UNO-Mitglied sei und seine Botschafter nicht auch in Staaten wie Russland und China habe, zeigte Serbiens Präsident auch Verständnis für die Probleme des Nachbarstaates, der in Serbiens Amtssprache üblicherweise nur als „sogenannter Staat“ bezeichnet wird. „Lasst uns versuchen, eine Vereinbarung zu erreichen, und nicht jede Situation dazu nutzen, die Beziehungen zu verschlechtern“, ließ Vucic noch wissen, nachdem er nur wenige Tage zuvor die kosovarischen Spitzenpolitiker noch als „Bande aus Prishtina“ bezeichnet hatte.

Eigentlich wollte man den Jahrestag der Luftangriffe in Serbien mit einer großen Militärparade begehen. Anfang der Woche wurden die Pläne geändert. Es blieb unklar, ob dies nach öffentlicher Kritik oder aber infolge der Zuspitzung bei den seit Anfang Dezember anhaltenden landesweiten Protesten erfolgt ist. Diese sind vor allem gegen Vucic gerichtet.

Durch die NATO-Luftangriffe kamen laut damaligen jugoslawischen Amtsangaben rund 2.000 Zivilisten und etwa 1.000 Soldaten ums Leben. Die gesundheitlichen Folgen werden von einer im Vorjahr gebildeten parlamentarischen Sonderkommission gerade untersucht. Ihr Bericht soll Ende 2020 vorliegen.

In Ärztekreisen kursieren unterdessen Gerüchte über einen bedeutenden Anstieg der Todesraten infolge von Krebserkrankungen. Die NATO hatte 1999 in Serbien - betroffen waren vor allem Südserbien und der Kosovo - auch Sprengsätze mit abgereichertem Uran eingesetzt.

Manch ein Bürger Serbiens stimmt Vucic gerne zu, wenn er sagt, dass der NATO-Einsatz in der Bundesrepublik Jugoslawien eigentlich gar keine „humanitäre Intervention“, sondern eine „Aggression“ gewesen sei. Eine jüngste Umfrage zeigte dieser Tage erneut, dass 79 Prozent der Serben einen NATO-Beitritt ablehnen. Eine Zusammenarbeit mit der Allianz würden aber 31 Prozent dennoch unterstützen.

~ WEB http://www.nato.int/ ~ APA025 2019-03-22/05:00