Slowakei: Präsidentenpalast für Caputova in Reichweite
Bratislava (APA) - Die liberale Rechtsanwältin Zuzana Caputova hat den Präsidentenpalast von Bratislava bereits in Reichweite. Knapp eine Wo...
Bratislava (APA) - Die liberale Rechtsanwältin Zuzana Caputova hat den Präsidentenpalast von Bratislava bereits in Reichweite. Knapp eine Woche vor der Stichwahl der slowakischen Präsidentschaftswahlen gilt sie als eindeutige Favoritin, während ihrem Kontrahenten, EU-Kommissar Maros Sefcovic, nur noch geringe Erfolgsaussichten eingeräumt werden. Der erfahrene Europapolitiker will dennoch nicht kampflos aufgeben.
Die Wählerstimmen nach dem ersten Wahlgang am vergangenen Samstag waren noch nicht einmal fertig ausgezählt, als Sefcovic bereits den Startschuss für den Wahlkampf zur Stichwahl am 30. März abfeuerte. „Morgen früh, eigentlich schon jetzt, fangen wir von vorne an. Die Karten werden neu verteilt, wir fangen beide an derselben Startlinie an“, verkündete er noch in der Wahlnacht.
Zu der Zeit stand bereits fest: die politisch unbeschriebene Anwältin und Bürgerrechtlerin hat mit über 40 Prozent der Stimmen alle 12 Konkurrenten haushoch geschlagen, während der Karrierediplomat bis zuletzt um seinen Aufstieg in die Stichwahl bangen musste. Er kam lediglich auf knapp 18,7 Prozent. Nur etwas mehr als vier Prozent der Stimmen trennten ihn schließlich vom drittplatzierten Rechtspopulisten Stefan Harabin.
Nur werden vor dem zweiten Wahldurchgang, bei dem die beiden bestplatzierten der ersten Runde gegeneinander antreten, die Karten doch nicht völlig neu gemischt. Der Vorsprung der 45-jährigen Kandidatin der neuen politischen Partei Progressive Slowakei (PS) wird nicht von heute auf morgen einfach verschwinden. Ihre Wähler werden sehr wahrscheinlich erneut zu den Wahlurnen kommen, im Gegensatz zu Sefcovic befindet sie sich in einer durchaus komfortablen Lage. Der 52-jährige Europapolitiker dagegen wird sich in der verbleibenden Zeit noch massiv um Wähler bemühen müssen.
Plötzlich ist es Caputova, die eine diszipliniertere Wählerschaft hat. Angesprochen hatte sie viele Slowaken, die ihr Authentizität, Aufrichtigkeit, ruhiges Auftreten ohne überflüssige Emotionen sowie feste Verankerung in liberalen Werten nachsagen. Sie verkörpert für ihre Anhänger die Hoffnung auf einen Neustart in der Politik, nach dem sich viele Slowaken nach dem Journalisten-Mord und den heftigen politischen und gesellschaftlichen Erschütterungen vom Vorjahr sehnen.
Der Tod von Jan Kuciak und die nachfolgenden Enthüllungen über korrupte Praktiken im Land hatten tausende Slowaken auf die Straßen getrieben und brachten die Regierung des dreimaligen Premiers Robert Fico zu Fall. Die Regierungskoalition unter Leitung seiner sozialdemokratischen Smer (Richtung) konnte sich dennoch an der Macht halten.
Für Sefcovic, der von Ficos Smer ins Rennen geschickt wurde, hatten hingegen nicht einmal alle Wähler der Fico-Partei selbst gestimmt. Ebenso wie ein Teil der Wählerschaft der mitregierenden nationalistischen SNS wechselten sie ins Lager des rechtspopulistischen Richters am slowakischen Höchstgericht, Stefan Harabin. Die Stimmen, die an den Extremistenführer Marian Kotleba gingen, mitgezählt, haben rund 25 Prozent der Slowaken gegen das System gewählt, was Beobachter als ernste Warnung für die nächstes Jahr folgenden Parlamentswahlen in der Slowakei sehen.
Genau dies sind aber die Stimmen, um die sich Sefcovic neben einer Mobilisierung der Menschen, die bei der ersten Abstimmung nicht wählen waren, vor allem bemühen muss. Auf den ersten Blick sollte er dabei wesentlich bessere Chancen als seine Rivalin haben. Wie viel der über zwei Millionen Nichtwähler der ersten Runde aber noch in die Wahllokale gelockt werden können, ist unklar. Auch mit einem erheblichen Teil der rund 530.000 Extrem-Wähler kann Sefcovic nicht rechnen. Laut letzten Umfragewerten wollen rund 60 Prozent der Kotleba-Wähler und 40 Prozent der Harabin-Wähler nicht mehr zu den Wahlurnen kommen. Für sie ist keiner der beiden anstehenden Kandidaten annehmbar.
Zudem droht laut Beobachtern ein sogenanntes Caputova-Paradoxon: Sogar einem Teil der Wähler von Rechtsextremisten könnte nämlich die Liberale ohne politische Vergangenheit annehmbarer erscheinen als der Linkspolitiker, der zwar deklariert parteilos antritt, dennoch aber als Vertreter des etablierten politischen Systems gesehen wird.
Sefcovic ist seit gut 30 Jahren als Diplomat tätig, seit über 10 Jahren wirkt er in Brüssel und seine proeuropäische und proatlantische Ausrichtung ist weitläufig bekannt. Im Wahlkampf ist er zwar zunehmend bemüht, als Mann aus dem Volk und überzeugter Christ zu erscheinen, sein plötzlicher Wandel von einem progressiven Europapolitiker in einen überzeugten christlichen Konservativen erscheint aber wenig glaubhaft. Schaden dürfte ihm aber vor allem die Nähe zur Smer-Partei.
Beide Koalitionspartner der Smer haben Sefcovic vor der Stichwahl ziemlich im Stich lassen. Die Slowakische Nationalpartei (SNS) wollte ihren Anhängern keinen der zwei Kandidaten eindeutig empfehlen. Rund ein Viertel der Unterstützer der Nationalisten hatten bereits in der ersten Runde für Caputova gestimmt. Und der zweite Juniorpartner in der Regierungskoalition, die Ungarnpartei Most-Hid, kündigte offen an, vor der Stichwahl die Liberale zu unterstützen. Ohnehin hatten die meisten Most-Wähler dies schon im ersten Durchgang spontan getan, während der ebenfalls antretenden Parteichef Bela Bugar auf lediglich drei Prozent kam.
Beobachter in der Slowakei warnen, der Wahlkampf vor der Stichwahl könnte noch sehr schmutzig werden. Hauptsächlich dürfte dieser in sozialen Netzwerken ausgetragen werden. Auch drastische persönliche Attacken gegen die Kandidaten seien dabei nicht auszuschließen - inklusive direkter Angriffe auf ihre Orientierung, und zwar nicht nur die politische oder ideologische, heißt es.
Vor allem wird es aber wohl ein kultur-ethischer Kampf zwischen der Liberalen und dem Konservativen werden, so die Erwartungen. Ob all dies den Ausgang der Wahl noch beeinflussen kann, gilt als unklar. Schon eine exklusive Meinungsumfrage der Agentur Focus für den Fernsehsender Markiza, die in der Wahlnacht veröffentlicht wurde, sprach klar zugunsten von Caputova. In der zweiten Runde sollte sie demnach 64,4 Prozent bekommen, Sefcovic hingegen nur 35,6. Und Umfragewerte hatten sich schon beim ersten Durchgang als sehr realistisch herausgestellt.