Debatte um Abfall in Kufstein: Gutes Plastik, böses Plastik
Beim Diskussionsabend des Abfallentsorgungsverbands Kufstein zum Thema Plastik prallten die Interessen von Handel, Industrie, Umweltorganisationen und Politik aufeinander. LHStv. Felipe will ein Plastik-Pfandsystem.
Von Jasmine Hrdina
Kufstein –Die einen führen den Kampf dagegen, die anderen dafür. Über Plastik gab es am Donnerstagabend im Kufsteiner Kultur Quartier ein Wortgefecht. Der Abfallentsorgungsverband Kufstein lud zur öffentlichen Debatte, bei der Vertreter aus Handel, Industrie, Umweltschutz und Politik ihre Standpunkte erörterten.
In einem Punkt schienen sich alle einig. Die „Notschlachtung“ des Sündenbocks Plastiksackerl durch das Verbot besticht mehr durch Symbolismus als durch Wirksamkeit. Mit 40 verbrauchten Plastiksackerln pro Kopf und Jahr seien die Österreicher zwar an der Spitze der EU, doch seien die Tragetaschen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie Lukas Wiesmüller, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit bei Spar, erläuterte. Diese Anzahl entspreche etwa zwei Kilogramm Treibhausgasemissionen, das sei etwa so viel, wie eine 13 Kilometer lange Fahrt mit dem Auto erzeuge. „Wenn Sie also zweimal zu Fuß einkaufen gehen, können Sie auch Sackerln verbrauchen“, meinte Wiesmüller zynisch. Die Sackerl-Debatte sei auf emotionaler Basis geführt worden und ökologisch nicht zielführend, bekräftigte Frank Hofer, Geschäftsleiter des Kufsteiner Verpackungsherstellers Pirlo Tubes GmbH. Künftig erwarte sich der Unternehmer „mehr Dialog“ mit der Politik. Die Frage solle künftig lauten: „Welche Verpackung macht für welches Füllgut Sinn?“
Unverständlich war für viele Anwesende die Tatsache, dass Gurken im Supermarkt in Plastikfolie eingeschweißt sind. Auch hier lieferte Wiesmüller eine Antwort: Das Gemüse komme derzeit nicht aus Österreich, sondern aus Italien bzw. Spanien. Durch den längeren Transportweg würde das Gemüse ohne Folie verschrumpelt und gelb im Supermarkt ankommen. „Wir müssten im Jahr 150.000 Gurken wegschmeißen“, so der Abteilungsleiter. „Wenn Sie im Winter auf Obst und Gemüse verzichten können, kommen wir auch ohne Plastik aus.“
Ein Problem des Luxus, aber kein Luxusproblem. Im Gegenteil: Die Auswirkungen des hohen Plastikverbrauchs werden immer deutlicher. BM Krumschnabel zeigte sich in seiner Begrüßungsrede schockiert, über einen verendeten Wal in der TT gelesen zu haben, der 40 Kilogramm (!) Plastik im Magen hatte. „Der Wal liegt auch in Kufstein – nur in Millionen Mikropartikel verteilt“, meldete sich die grüne Bezirkssprecherin Iris Kahn aus dem Publikum zu Wort.
Frank Hofer gab Einblicke in die Produktion von PCR-Flaschen, also Gefäßen, die aus recyceltem Kunststoff hergestellt wurden – etwa Shampooflaschen oder Zahnpastatuben. Man brauche für die Produktion doppelt so viel Material wie für die Herstellung einer Laminatflasche, „und damit wirbt man dann auch noch, weil es recycelt wurde“.
Der Trend zu mehr Bewusstsein sei begrüßenswert, „noch nie wurde so viel über einzelne Produkte nachgedacht wie derzeit“, meinte Andreas Pertl von der VKS (Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH). Dem pflichtete DAKA-Projektmanager Robert Frötscher bei. EU-weit habe sich mit der Plastiknovelle einiges getan, aber: „Wir produzieren und konsumieren und dafür müssen wir uns auch der Verantwortung stellen.“
Dass das „Thema endlich in der Gesellschaft angekommen ist“, freut Stephanie Rauscher vom Klimabündnis Tirol. Als Zuständige für „Green Events“ wünsche sie sich aber mehr Alternativen bei Getränkeverpackungen. Großbetriebe bekämen Säfte zwar in Mehrweggebinden, Vereine müssen diese aber im Supermarkt kaufen. Dort gäbe es nur 20 Prozent Mehrwegflaschen. Zu Zeiten einer verpflichtenden Quote – wie es sie bis 2001 gab – waren es 70 Prozent. Für LHStv und Umweltlandesrätin Ingrid Felipe ist es an der Zeit, „unpopuläre Entscheidungen zu treffen“. Sie fordert strengere Gesetze, allen voran ein Pfandsystem für Plastikverpackungen. „Bewusstseinsbildung allein reicht nicht aus, man wird Regeln aufstellen müssen“, meint Tirols Grünen-Chefin. Solche Systeme seien aufwendig, die Umstellung teuer, und „zahlen muss im Normalfall der Konsument“, merkte Wiesmüller an. Eine Entscheidung, die ohnedies nicht in Tirol, sondern auf Bundes- bzw. EU-Ebene fallen muss. Ende Juni werde man das Thema Plastikpfand Umweltministerin Elisabeth Köstinger „ganz fest ans Herz legen“, sagte Felipe.