Konzert

Wiener Stadthalle: Herbert Grönemeyer hat euch lieb

Von „Vollmond“ bis „Kinder an die Macht“: Viel Energie und noch mehr Hits hatte Herbert Grönemeyer bei seinem ausverkauften Konzert in Wien im Gepäck.
© APA

Vor 14.000 Fans spielte Herbert Grönemeyer am Freitag in der Wiener Stadthalle ein dreistündiges Konzert.

Von Barbara Wohlsein

Wien –Es wird laut, bevor es überhaupt losgeht. Einige Zuschauer haben Herbert Grönemeyer erspäht, wie er neben der Bühne auf und ab springt und die Arme nach oben reißt, als würde er gleich in den Boxring steigen. Zehnmal hat Grönemeye­r bereits in der Wiener Stadthalle gespielt. Trotzdem ist die aktuelle Tour etwas Besonderes.

Mit „Tumult“ hat der 62-Jährige ein Album abgeliefert, auf das er wirklich stolz ist – und das merkt man an seiner Energie. Nach dem Opener „Sekundenglück“ folgen zwei weitere Songs vom neue­n Album, ehe mit „Kopf Hoch, Tanzen“ der erste Klassiker ertönt. Damit startet das Herbert’sche Hit-Feuerwerk: „Bochum“, „Männer“, „Was soll das“, „Halt mich“ – wer solche Kracher bereits in den ersten 45 Minuten verpulvert, hat noch viele Trümpfe im Ärmel.

„Doppelherz/Iki Gönlüm“ funktioniert live sensationell: Der deutsch-türkische Text, der treibende Rhythmus und der Auftritt des Berliner Rappers BRKN sind ein Sinnbild für Herbert Gröne­meyer im Jahr 2019: wach, politisch, trotzdem leichtfüßig. Dazu passen seine Ansagen vor jenen Liedern, die sich gegen Rassismus richten: „Keinen Millimeter nach rechts – und bleibt dabei ruhig, geduldig und lustvoll.“ Mit „Morgen“ beschließt er den offiziellen Teil des Konzerts. Doch im Gegensatz zu anderen Konzerten, wo zu diesem Zeitpunkt bereits viele in Richtung Ausgang strömen würden, bewegt sich in Wien niemand.

Für die erste Zugabe wechselt Grönemeyer vom schwarzen Sakko ins schwarze Hemd und setzt sich ans Klavier am Steg. Nach vier Liedern, darunter „Der Weg“ und „Flugzeuge im Bauch“, verabschiedet er sich mit Komplimenten („Ihr seid zauberhaft“), um kurz darauf mit den Worten „Man erlebt viel, aber das ist wirklich wunderschön“ die zweite Zugabe zu eröffnen.

Jetzt ist es so weit, „Ich hab’ dich lieb“, das Einhorn unter den Grönemeyer-Hits, wird angestimmt. Er erklärt die Besonderheit: „Irgendwer bei Ö3“ habe in den 1980ern eine romantische Schnulze gesucht und das Lied so oft im Radio gespielt, bis es zu einem Klassiker wurde – wohlgemerkt nur in Österreich. Also singt er es und versingt sich prompt. Aber egal, die Pflicht ist erfüllt.

Zum Schluss dieser Zugabe kommt „Zeit, dass sich was dreht“. Der Song ist nicht gut gealtert, doch in der Euphorie fällt das nicht auf, auch dank Konfettikanone. Dass hier trotz Partystimmung kein Platz für Risiko ist, merkt man, als die Schnipsel sofort mit Laubbläsern vom Steg entfernt werden. Man will schließlich nicht, dass Herbert bei seinem intensiven Getänzel ausrutscht. Apropos: Den Spruch „Dance like nobody’s watching“ könnte Grönemeyer erfunden haben. Er kreist mit den Hüften, dribbelt herum, stellt sich keck dem Publikum zur Schau: „Einer Umfrage zufolge sind 11 Prozent von euch aufgrund meiner Beinarbeit da, 36 Prozent wegen meines guten Aussehens.“ In Wahrheit weiß Herbert Grönemeyer ganz genau, warum die 14.000 Menschen da sind: weil er als 62-Jähriger mit der Energie eines 26-Jährigen 33 Hits aus über drei Jahrzehnten abliefert.