Beweise reichen nicht aus: Rebeccas Schwager aus Haft entlassen
Selbst die Staatsanwaltschaft spricht von einer „vertretbaren“ Entscheidung: Im Fall Rebecca kommt der tatverdächtige Schwager nach mehr als zwei Wochen aus der Untersuchungshaft frei. Das heißt aber nicht, dass der Fall nun völlig neu aufgerollt wird.
Von Andreas Rabenstein und Gisela Gross, dpa
Berlin – Die Polizei hat einiges aufgeboten: Menschen, modernste Technik und beste Suchhunde. Es hat nichts gebracht. Die Leiche der vermissten 15-jährigen Rebecca aus Berlin bleibt verschwunden. Das hat auch Auswirkungen für den Tatverdächtigen, Rebeccas Schwager. Er kommt auf freien Fuß – zum zweiten Mal.
Für die Kriminalpolizei und die Staatsanwälte ist es eine Schlappe, dass der Haftbefehl gegen den 27-Jährige aufgehoben worden ist. Sie gehen weiter davon aus, dass der Schwager die 15-Jährige am 18. Februar getötet hat. Aber sie können keine Beweise dafür vorlegen, sondern haben nur einige Indizien. Voraussetzung für einen Haftbefehl und Untersuchungshaft ist aber ein sogenannter „dringender Tatverdacht“. Den sah ein Ermittlungsrichter nun nicht mehr.
Staatsanwaltschaft hat nichts in der Hand
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagt dazu: „Die Beweislage reicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus.“ Die Fakten deuteten aber weiter darauf hin, dass Rebecca das Haus des Schwagers nicht lebend verlassen habe. Und dann kommt ein Eingeständnis, das die vergebliche Arbeit der Mordkommission in den vergangenen drei Wochen beschreibt: „Entscheidender Punkt ist: Wir haben Rebecca bislang nicht gefunden.“
Die intensiven Ermittlungen und die wochenlange Suche nach der Vermissten erbrachten letztlich nichts Neues – obwohl Polizisten mit Stöcken, Schaufeln, Bodenradar und Spürhunden verschiedene Wälder durchsuchten und sich mit Booten, Echolot und Tauchern einen See in Brandenburg vornahmen. Die Staatsanwaltschaft habe nichts in der Hand, um ihren Verdacht zu erhärten, sagt Steltner.
Wichtige Hinweise auf den Täter finden sich oft an einer Leiche oder ergeben sich aus einem Tatort, der Todesursache oder dem Versteck, in dem der Mörder das tote Opfer ablegte. All das fehlt der Polizei in diesem Fall. Weil das Grundrecht auf Freiheit bei Menschen nur bei dringendem Tatverdacht nicht mehr gilt, wurde der Schwager nach zweieinhalb Wochen im Untersuchungsgefängnis nun freigelassen.
Rebecca wird seit dem 18. Februar vermisst. Sie hatte zuletzt bei ihrer älteren Schwester und deren Familie in Berlin-Britz übernachtet und war am Morgen nicht in der Schule erschienen. Der Schwager wurde schnell zum Verdächtigen der Mordkommission, weil er zeitweise allein mit ihr im Haus gewesen sein soll. Seine Fahrten mit dem Auto an dem Vormittag und am Abend darauf auf der Autobahn Richtung Polen könne er nicht erklären, hieß es.
Was kann die Polizei nun tun?
Gleichwohl brauchte es zwei Anläufe, bis ein Richter Anfang März einen dringenden Tatverdacht wegen Totschlags feststellte und der 27-Jährige in Untersuchungshaft kam.
„Die Kollegen sind ganz sicher, dass sie den Richtigen haben“, sagte noch vor wenigen Tagen ein Polizist, der nah an den Ermittlungen dran ist. Was kann die Polizei nun tun? Weil der Schwager weiter unter Verdacht steht, könnte sie bei einem Richter Überwachung beantragen: Abhören des Telefons, Verfolgen der Chats und E-Mails und Observation durch Zivilfahnder. Das dürfte dem Mann aber auch bewusst sein. Auflagen gegen den Mann – dass er Berlin nicht verlassen darf oder sich täglich melden muss – wurden nicht verhängt. Das ist nur möglich, wenn ein Haftbefehl bestehen bleibt, es aber eine sogenannte Haftverschonung gibt.
Die Mutter von Rebecca sagte dem Sender n-tv: „Wir sind noch sehr überrascht.“ Der Schwager werde „sich jetzt erst einmal ausruhen wollen“. Die Familie hatte immer beteuert, sie halte den Schwager für unschuldig. Er habe ihnen alles erklärt. Rebecca sei sicher entführt worden und werde irgendwo festgehalten.
Keine Suchaktionen am Wochenende geplant
Auf eine entsprechende Frage sagte Steltner, selbstverständlich gehe man auch verschiedenen anderen Möglichkeiten zu Rebeccas Verschwinden nach. „Aber wir müssen uns an die Fakten halten, wir können nicht spekulieren.“
Für die Mordkommission ändert sich durch die Freilassung ihres Verdächtigen wenig. „Wir werden mit gleicher Intensität und mit gleichem Aufwand nach Rebecca suchen“, betonte Steltner. Auch am Freitag waren Einsatzkräfte wieder mit Spürhunden in Brandenburg unterwegs. Die Suche konzentriere sich auf den Bereich Scharmützelsee, sagte ein Polizeisprecher. „Man verlässt sich da auf das Gespür der Tiere.“
Ob der Einsatz mit Spürhunden im Bereich des Scharmützelsees in Brandenburg neue Ansatzpunkte brachte, konnte eine Polizeisprecherin zunächst nicht sagen. Für das Wochenende habe die Mordkommission keine weitere Aktionen geplant – das könne sich aber ändern, falls es konkrete Hinweise gebe, hieß es weiter. Andernfalls werde am Montagmorgen über das weitere Vorgehen entschieden. Bis jetzt gingen etwa 2000 Hinweise bei der Kriminalpolizei ein.