Anti-Doping: ÖOC-Präsident fordert „europäischen Schulterschluss“

Wien (APA) - Der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC), Karl Stoss, spricht sich im Interview mit der APA - Austria Pres...

Wien (APA) - Der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC), Karl Stoss, spricht sich im Interview mit der APA - Austria Presse Agentur für lebenslange Sperren von Sportlern, die systematisch Doping betreiben, aus. Auch fordert er einen europäischen Schulterschluss und ein EU-weites Anti-Doping-Gesetz. In der Prävention müsse das Strafausmaß noch mehr verdeutlicht werden.

APA: Was löst die Schlagzeile „Österreich ist eine Dopingnation“ in Ihnen aus?

Stoss: „Das löst schreckliche Gefühle aus, weil es natürlich überhaupt nicht stimmt. Es gibt leider in jeder Gesellschaft schwarze Schafe, weltweit und nicht nur im Sport, sondern auch in der Wirtschaft oder kirchlichen Organisationen. Es gibt Personen, die kriminelle Energien mitbringen, das kann man leider nicht gänzlich ausschließen. So gerne ich das auch würde. Es gibt so viele hervorragende Sportlerinnen und Sportler auch in Österreich, die ohne Doping Höchstleistungen bringen und großartige Erfolge feiern.“

APA: Was kann man also für das Image tun?

Stoss: „Man darf und sollte das nicht so im Raum stehen lassen. Dass es lückenlos aufgezeigt werden muss, um alles zu tun, das möglichst zu verhindern und Präventivmaßnahmen zu setzen, das steht ganz außer Zweifel. Aber Österreich ist per se keine Dopingnation. Marcel Hirscher ist ein lebendes Beispiel dafür, er ist eine einmalige Erscheinung am Sporthimmel. Oder Nicole Schmidhofer, Vanessa Herzog, die Rodler oder die Jungen wie Magdalena Egger beim European Youth Olympic Festival - das sind hervorragende Leistungen, die ohne Doping zustande gekommen sind, sondern durch Talent, Fleiß und Können. Leider wird durch solche aufgezeigten Fälle der sportliche Erfolg überlagert, das stimmt mich traurig. Sowohl für die Organisatoren wie Seefeld, die zum Handkuss gekommen sind, ohne was dafür zu können, als auch für die sportlichen Erfolge, die großartig waren, wenn man die neun Medaillen für Österreich nimmt, aber das ist faktisch unter den Tisch gefallen.“

APA: Ist das Vertrauen des Österreichers in den Spitzensport gebrochen?

Stoss: „Ich sehe es nicht gebrochen, aber es ist einmal mehr angeschwärzt und angepatzt. Man muss noch einmal mit allen Sport-Fachverbänden den Schulterschluss suchen. Wir können nur in Bezug auf unsere Olympischen Veranstaltungen Präventionen in den Vordergrund stellen. Es muss jede Athletin/jeder Athlet Erklärungen unterschreiben, aber mit dem allein ist es nicht getan, weil damit bricht sie/er schon den ersten Eid. Man muss noch viel stärker bei der Jugend ansetzen, bei den Schulen, und die Konsequenzen aufzeigen.“

APA: Es passiert mittlerweile regelmäßig, dass Österreich bei Großveranstaltungen negativ auffällt...

Stoss: „... das ist sehr, sehr bitter, absolut! Da ist man im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Dann kommen die Bilder so rüber, wie sie eben nicht sein sollten und auch nicht sein dürfen. Das ist wahrscheinlich gepaart mit dem überaus großen Ehrgeiz, den halt Spitzensportler mit sich bringen. Und wenn sie merken, sie können aufgrund ihrer Trainingsleistungen und normalen Umständen nicht dort anschließen, wo die Weltspitze ist, versuchen sie es mit allen Mitteln. Das ist sehr traurig.“

APA: Muss man in Hinblick auf die nächsten Olympischen Spiele 2020 in Tokio beim Testsystem nochmals die Schrauben nachziehen?

Stoss: „Wenn die Nennfrist abgelaufen ist und die Athleten bekannt sind, die entsandt werden, wird die NADA selber noch einmal viel aktiver, als sie schon ist. Das hat sie beim Dürr gemacht, er wurde elfmal im Vorfeld von Sotschi Dopingkontrollen unterzogen, Gott sei Dank hat man ihn dann erwischt. So wird man es auch im Sommersport machen, noch einmal mit größter Aufmerksamkeit, gerade aufgrund der aktuellen Vorkommnisse.“

APA: Das Anti-Doping-Bundesgesetz sieht bereits Haftstrafen vor, muss man es weiter verschärfen?

Stoss: „Man muss mit Haftstrafen und Geldstrafen noch strenger werden, aber was man vor allen Dingen müsste, ist eine EU einheitliche Gesetzgebung des Anti Doping zu beschließen. Es kann nicht sein, dass Ärzte, die man aufdeckt und nennt in anderen Ländern nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Und die können weiter ihr Handwerk betreiben. Da musst ein europäischer Schulterschluss erfolgen, sonst ist das wirkungslos, was wir national machen.“

APA: Marcel Hirscher fordert lebenslange Sperren für systematische Doping-Betrüger. Was fordern Sie?

Stoss: „Absolut, da trete ich auch zu hundert Prozent dafür ein. Jemand, der das systematisch über Jahre betrieben hat, gehört nicht in Sportveranstaltungen. Der hat auf der internationalen Bühne nichts verloren, weil er kein Vorbild für die Jugend ist. Ganz im Gegenteil, er vermittelt, dass man Leistung nur mit Doping erreichen kann. Es gibt Doping nicht nur im Sport, es gibt Doping in der Wirtschaft, es gibt Doping in allen Lebenslagen und Bereichen. Wenn man suggeriert, man kann nur noch durch Doping Höchstleistungen erreichen, ist das ein völlig falsches Bild.“

APA: Die NADA ist sehr aktiv in der Präventionsarbeit. Sie zeigt auch auf, wie man ins Doping reinrutschen kann. Wie kann man die Hemmschwellen vergrößern?

Stoss: „Man muss in der Prävention nochmals verstärkt das Strafausmaß verdeutlichen, was das für eine Karriere, für einen menschlichen Lebensweg bedeutet, wenn man vorbestraft ist. Wenn man vielleicht eine unbedingte Haftstrafe bekommt. Wenn man massive Geldforderungen bekommt und damit auch an der Existenz kratzt. Wir arbeiten Hand in Hand mit der NADA und mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, weil man nur gemeinsam zu diesen Zielen kommt, die wir alle haben: einen dopingfreien Sport.“

APA: Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands und Vizepräsident im ÖOC, steht massiv in der Kritik, weil immer wieder seine Langlaufsparte betroffen ist. Was sagen Sie ihm?

Stoss: „Peter Schröcksnadel hat sehr viel zur positiven Entwicklung im Skisport beigetragen und Unglaubliches geleistet, was die wirtschaftliche Gesundung und den sportlichen Erfolg des Skiverbandes betrifft. Die Frage, wie lange er noch als Vizepräsident im ÖOC tätig ist, stellt sich für uns derzeit nicht. Die nächsten ÖOC-Wahlen stehen erst 2021 an. Ihm die kriminelle Energie einzelner Athleten vorzuwerfen, davon halte ich nichts.“

APA: Gab es von Seiten des Internationalen Olympischen Komitees eine Reaktion auf Seefeld?

Stoss: „Es gab eine, aber nicht in Bezug auf den ÖSV oder das ÖOC. Das IOC hat klar Stellung bezogen, vor allem auch auf die Entourage, sprich Trainer, Betreuer, Hintermänner, Ärzte. Dass man da noch viel stärker hinwirkt, dass diesen Netzwerken wirklich einmal das Handwerk gelegt wird. Über die Sportler an diese Netzwerke zu kommen, muss unser gemeinsames Ziel sein.“

(Das Gespräch führte Birgit Egarter/APA)