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Seat mutiert zum Musterschüler

Zeigen sich begeistert von der jüngeren Vergangenheit und der nahenden Zukunft von Seat: Luca de Meo (l.) und Herbert Diess.
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Noch 2014 schrieb die spanische Volkswagentochter Seat herbe Verluste. Jetzt ist sie das Vorzeige-Unternehmen im Konzern – und übernimmt in der Gruppe neue Aufgaben.

Von Stefan Pabeschitz

Barcelona –Luca de Meos Siegerlächeln ist gerechtfertigt. Als der Italiener 2015 von Fiat zu Seat wechselte, war die Zukunft des spanischen Automobilherstellers noch unsicher. Nun kann er das dritte Rekordjahr in Serie vermelden. Weil Jubelmeldungen im Volkswagen-Konzern derzeit nicht gerade Hochsaison haben, ist sogar der Big Boss aus Wolfsburg persönlich angereist, um zu gratulieren. Dr. Herbert Diess kann die Feierlaune der Spanier gut gebrauchen: Audi ist innerhalb eines Jahres zum Sanierungsfall geworden, die Zentralmarke VW stagniert bestenfalls, Verbraucherschutz-Klagen und weitere Strafen aus dem Dieselskandal schweben als finanzielle Fragezeichen über dem Konzern.

Die spanische Tochter erwirtschaftete 9,991 Milliarden Umsatz, die Produktion erreichte mit 517.600 Fahrzeugen den höchsten Stand seit der Firmengründung. Zentrale Modellreihe ist nach wie vor der Leon mit 158.000 Stück, gefolgt vom Ibiza mit 136.000 Einheiten. Die noch jungen SUVs Arona, Ateca und Tarraco legen aber rasch zu. Auch die österreichischen Zahlen können sich sehen lassen: Mit einem Marktanteil von 5,5 Prozent fuhr die heimische Organisation nicht nur ebenfalls ihr bisher bestes Ergebnis ein – sie ist damit auch prozentuell der erfolgreichste Exportmarkt der Spanier. Die Steigerung gegenüber 2017 betrug hierzulande bei einer um 3,5 Prozent rückläufigen Gesamtentwicklung beachtliche 7 Prozent. In der Gunst der Käufer reihte sich der Kompakt-SUV Arona knapp vor den Modellen Leon, Ibiza und Ateca ein. Insgesamt wurden in Österreich im vergangenen Jahr 18.713 neue Seat verkauft, Platz fünf in der Hersteller-Hitparade. Das erste Quartal 2019 weist bisher eine neuerliche Steigerung auf.

Insgesamt darf sich Seat über einen operativen Gewinn von 223 Millionen Euro freuen, ein Plus von über 93 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Ergebnis kommt auch den Mitarbeitern zugute – ihr Jahresbonus wurde um 50 Prozent erhöht. Das Engagement der erfolgshungrigen Tochter ist in der Konzernleitung nicht unbeachtet geblieben. „Zu viele Entscheidungen wurden bisher zentral in Wolfsburg getroffen, das volle Potenzial unserer Unternehmen daher nicht ausgeschöpft“, räumt Diess ein. Er ist nicht mit leeren Händen nach Barcelona gereist: Seat wird ab sofort weitreichende Entwicklungsaufgaben innerhalb der Volkswagengruppe übernehmen. Viele davon auf dem immer wichtiger werdenden IT-Sektor – die Kreativität der Katalanen hat die Stadt zu einem der Hotspots auf dem Gebiet der Digitalisierung und für zukunftsträchtige Online-Lösungen gemacht.

Auch die Entwicklung eines batterie-elektrischen Kleinwagens unter vier Metern Länge auf Basis der modularen E-Plattform von VW wird zu bedeutenden Teilen im Werk Martorell nahe der Metropole passieren. Diess hat natürlich auch die günstigeren Entwicklungskosten in Spanien im Auge – das Modell soll für weniger als 20.000 Euro angeboten werden. In der Zwischenzeit zeigt Seat schon einmal seine Elektro-Kompetenz: Bis 2021 rollen ein neuer E-Mii, Plug-in-Hybrid-Versionen des Leon und Tarraco sowie der vollelektrische Kompakte el-Born in die Schauräume. Cupra, erst vor etwa einem Jahr als eigenständige Submarke etabliert, legt mit Performance-Hybriden des Leon als Fünftürer und Station-Wagon nach, auch vom ersten eigenständigen Modell Formentor wird eine hochdynamische Plug-in-Variante gebaut.

Weiters auf dem Arbeitsplan: die Ausweitung der Seat-Präsenz in Lateinamerika und der Marktstart in China. Luca de Meo ist dennoch vorsichtig mit seinen Prognosen: „Nach sechs Wachstumsjahren muss man auch einmal mit weniger Erfolg rechnen.“ In spätestens zwölf Monaten werden wir wissen, ob, und wenn, wie sehr er da tiefgestapelt hat.