Männer in der Pflege: “Ich bin hier die Krankenschwester“
Männer sind in der Pflege immer noch unterrepräsentiert. Alexander Harb und Christian Thaler sind Vorurteile gewohnt. In ihrem Alltag am BKH Kufstein spielt ihr Geschlecht aber manchmal tatsächlich eine wichtige Rolle.
Von Jasmine Hrdina
Kufstein –Wenn ein weiß gekleideter Mann Patienten betreut, handelt es sich um einen Arzt. Zumindest ist dieses Bild speziell bei jenen, die schon mehrere Jahrzehnte auf dieser Erde wandeln, immer noch stark in den Köpfen verankert. So berichten es Alexander Harb und Christian Thaler – die allerdings trotz ihres entsprechenden Outfits keine Doktoren sind, sondern Pfleger. Mit dieser Berufswahl sind sie als Männer in der Unterzahl. Nur 15 Prozent ihrer 560 Kollegen am Kufsteiner Bezirkskrankenhaus haben dasselbe Geschlecht.
„Schon komisch, dass hier Ärzte die Patienten selber waschen“, meinte eine ältere Dame einmal zu Harb. Ein Mann im Pflegebereich ist für manche eben doch noch ein ungewohnter Anblick. „Sie haben einfach immer noch das Bild vom großen Mann als Arzt im Kopf, die Schwester daneben ist eine kleine Frau und trägt eine Haube“, erklärt Kollege Thaler. „Ich bin hier die Krankenschwester“, entgegnet der 1,92 m große Harb in solchen Fällen mit einem stolzen Grinsen im Gesicht.
Dass solch klischeehafte Rollenbilder immer noch nicht ausgestorben sind, nehmen die beiden als „gestandene Mannsbilder“ locker. Doch es gibt sie, diese unangenehmen Situationen, in denen die Frage nach dem Y-Chromosom tatsächlich zum Problem wird. Bei der Körperpflege empfinden es einige Patienten als unangenehm, wenn sie von einer andersgeschlechtlichen Pflegekraft betreut werden. Eine ältere Dame hatte Thaler einst um weibliche Unterstützung gebeten, als sie eine Bettpfanne benutzen musste. Für gewöhnlich wird solchen Fällen aber vorgebeugt. „Gerade bei jüngeren Frauen frage ich eine meiner Kolleginnen, ob sie für mich die Intimpflege übernehmen können. Mir selbst wäre das auch unangenehm“, sagt der 28-jährige Harb. Teamarbeit sei ohnehin Pfleger-Alltag. Harb: „Man kann ja auch nicht mit jedem Menschen gleich gut. Auch in solchen Fällen tauschen wir die Patienten.“ Allein deshalb sei es von Vorteil, wenn das Team mit möglichst vielen verschiedenen Charakteren ausgestattet sei.
Zwei Jahrzehnte sind bereits ins Haus gezogen, seit Thaler erstmals seinen Dienst als Pfleger – damals in Feldkirch – antrat. Seit 12 Jahren ist er Teil des Teams der allgemeinen Intensivstation in Kufstein. Dabei verbrachte er auch Jahre als „Hahn im Korb“ einer Station. „Männer und Frauen sehen Dinge unterschiedlich“, findet der 46-jährige Ebbser.
Apropos Charakter: Stressresistenz und Empathie stehen für die beiden ganz oben auf der Liste jener Dinge, die Pfleger mitbringen sollten. Und wie geht das „starke Geschlecht“ mit Emotionen um? Harb arbeitet seit 2015 auf der Internen, betreut dort auch zwei Palliativbetten: 100 Menschen sterben dem Wörgler im Jahr quasi unter den Händen weg. „Unser Ziel ist es ja, ihnen ein leidensfreies Sterben zu ermöglichen.“ Spurlos gehe dies jedoch an keinem vorüber. „Man kann nicht einfach bei der Tür hinausgehen und sagen, jetzt beschäftigt mich das nicht mehr“, so Harb. Wäre dies so, sei man falsch in diesem Beruf, ist Thaler überzeugt, „es darf dich aber nicht belasten“.
Belächelt würden die männlichen „Schwestern“ selten, „die meisten zollen uns viel Respekt dafür, dass wir als Männer hier arbeiten“, schildert Harb. Nur wüssten viele Menschen generell nicht Bescheid, was die Fachkräfte alles leisten. Wer noch nie in einem Krankenhaus war, setze sich laut Thaler auch nicht damit auseinander. Dabei fallen immer mehr medizinische Tätigkeiten in ihren Aufgabenbereich. Das Bewusstsein habe sich demnach verändert. Thaler: „Wir sind nicht mehr die Hilfsmannschaft des Mediziners, sondern eine eigene Berufsgruppe.“
Pflege wird immer männlicher
Die Patienten am Kufsteiner Bezirkskrankenhaus werden von insgesamt 560 Pflegekräften betreut. 88 der Fachkräfte sind männlich, das entspricht etwas mehr als 15 Prozent, „wobei die Tendenz deutlich nach oben geht", wie Pflegedirektorin Alexandra Lambauer verrät. Auffallend sei, dass sich besonders unter jenen Menschen, die sich auf dem zweiten Bildungsweg für den Pflegeberuf entscheiden, verhältnismäßig viele Männer befinden. Lambauer: „Sie sind zwischen 20 und 30 Jahre alt und haben vorher einen handwerklichen Beruf ausgeübt." Bei der Wahl der Station bevorzugen sie dann technisch ausgerichtete, etwa die Intensivstation, auch die Psychiatrie sei bei Männern gefragt. (jazz)