Interview

Trump, Krisenherde und Mueller: US-Experte Fontaine im Gespräch

US-Präsident Donald Trump will im Konflikt mit China die Daumenschrauben anziehen.
© AFP/Baradat

Mehr als zwei Jahre nach Trumps Amtsübernahme liegt Robert Muellers Bericht in der Russland-Affäre vor – und scheint den Präsidenten zu entlasten. Gleichzeitig muss Trump einen gescheiterten Nordkorea-Gipfel verkraften. Und beschimpft den verstorbenen Senator John McCain per Twitter. Dessen langjähriger Mitarbeiter und US-Außenpolitikexperte Richard Fontaine im Gespräch über die Wirren von Trumps Präsidentschaft.

Von Matthias Sauermann

Innsbruck – Donald Trump verhöhnte erneut den verstorbenen Senator John McCain per Twitter, unter anderem als „schlechtesten seiner Klasse“. Sie haben jahrelang für McCain gearbeitet. Was sagt Ihnen das über den Präsidenten?

Richard Fontaine: Ich weiß nicht, warum der Präsident wirkt, als wäre er von McCain verfolgt. Er hat eine eigenartige Meinung von Leuten. In derselben Woche in der Trump sagt, er mag McCain nicht, sagt er, dass er Kim Jong-un liebt. Ich versuche nicht, das zu verstehen. Was ich versuche mir vorzustellen ist, wie McCain reagieren würde. Ich glaube, er würde es ignorieren und auf Dinge verweisen, die wichtiger sind, als ob der Präsident ihn mag oder nicht. Das hat er auch gemacht, als Trump ihn damals angegriffen hatte, als er sagte: „Ich mag Leute, die nicht gefangen genommen wurden“ – was McCain passiert war [im Vietnamkrieg, Anm.].

Sie haben McCain in einem Tweet mit den Worten zitiert: „Nichts ist befreiender als für eine Sache zu kämpfen, die größer ist als man selbst.“

Fontaine: Ich wollte darauf antworten, ohne persönlich zu werden. Und auf die wichtigere Lektion verweisen: Wir verschwenden unsere Zeit, wenn wir uns in persönlichen Streitigkeiten verlieren, besonders wenn eine der Personen nicht mehr unter uns ist. Ich bin nicht besonders optimistisch, dass das aufhören wird, aber man muss hoffnungsvoll bleiben.

Vor kurzem hat Sonderermittler Robert Mueller seinen Bericht in der Russland-Affäre vorgelegt. Laut dem Justizminister hat er keine illegale Absprache mit Russland festgestellt, und ihn vom Vorwurf der Justizbehinderung weder beschuldigt noch entlastet. Welchen Effekt wird das Ende der Untersuchung auf die Trump-Präsidentschaft haben?

Fontaine: Der rechtliche Effekt ist groß. Es gab den Verdacht, dass beide Vorwürfe zutreffen. Nun sind die Chancen auf ein Amtsenthebungsverfahren viel kleiner. Zumindest in dieser Sache – es gibt natürlich noch andere Untersuchungen gegen Trump. Präsident Trump fühlt sich entlastet. Ein anderes Ergebnis hätte für ihn desaströs sein können – sowohl für seine Wiederwahlchancen als auch für seinen Verbleib im Amt.

„Es ist von fundamentaler Bedeutung, dass es keine illegale Absprache gab zwischen einer Präsidentschaftskampagne und einem feindlich gesinnten Nachrichtendienst“.
Richard Fontaine (CEO, CNAS)

Nun wird der Fokus auf dem Bericht selbst liegen. Hat der Justizminister die richtigen Schlussfolgerungen gezogen? Es wird Hearings geben. Die anderen Untersuchungen werden fortgeführt werden. Vorbei ist es also noch nicht. Aber es ist für die USA von fundamentaler Bedeutung, dass es keine illegale Absprache gab zwischen einer Präsidentschaftskampagne und einem feindlich gesinnten Nachrichtendienst, der die Wahl beeinflussen wollte.

Könnte es den Demokraten in der öffentlichen Wahrnehmung schaden, wenn sie weiter auf Veröffentlichung des Mueller-Berichts drängen – nachdem die Ergebnisse nun den Präsidenten zu entlasten scheinen?

Fontaine: Das bezweifle ich. Wenn Trump denkt, dass der Bericht ihn entlastet, würde er wohl auch wollen, dass er veröffentlicht wird. In meinen Augen ist aber wichtiger: Die Kandidaten beginnen gerade, ihre Kampagnen für die Wahl aufzustellen. Für was stehen sie, außer gegen Trump zu sein?

Der Mueller-Bericht nimmt nun also die Vorwürfe gegen Trump aus dem Spiel für den Wahlkampf im kommenden Jahr?

Fontaine: Zu einem großen Teil. Aber bereits jetzt sagen manche Demokraten: Es mag vielleicht nicht in einem rechtlichen Sinne ausreichen für eine Anklage wegen illegaler Absprache, aber was der Präsident sagte und tat war politisch inakzeptabel. Das wird aber weniger Gewicht haben, als wenn der Sonderermittler Beweise vorgelegt hätte. Dann wären wir in einer gänzlich anderen Welt.

Mit dem Ende der Russland-Ermittlungen ist eine Affäre vorerst beendet, die wie ein Schatten über ganz Washington hing. Gestritten wird um das Thema jedoch noch länger werden.
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Als Trump das Amt übernahm, gab es viele Erwartungen oder Befürchtungen, wie er die US-Außenpolitik beeinflussen würde. Negative Einflüsse auf die NATO, politische und wirtschaftliche Isolation der USA – manche Kritiker meinten sogar, Trump könnte das Nukleararsenal nicht anvertraut werden. Mehr als zwei Jahre später – wieviel davon hat sich bewahrheitet?

Fontaine: Manches. Eigenartig ist, dass es in vielen dieser Bereiche zwei Wahrheiten gibt. NATO und Russland sind perfekte Beispiele. Der Präsident hat sehr selten irgendetwas Negatives über Putin zu sagen. Er spricht über eine Zusammenarbeit mit Russland. Er ist den NATO-Verbündeten gegenüber sehr negativ eingestellt und beklagt das Fehlen von ausreichend Verteidigungsausgaben.

Die gleiche Regierung, deren Präsident so warmherzig über Russland spricht, hat die härteste Russland-Politik seit dem Ende des Kalten Krieges. Viel härter als die Obama-Regierung. Bei der NATO wurden die Ausgaben für die „European Reassurance Initiative“ erhöht [Programm, das von Obama 2014 als Reaktion auf die Krimkrise angestoßen wurde]. Truppen und NATO-Material wurden nach Osten verlegt. Als Abschreckung für Russland. Die Ausweisung von russischen Diplomaten.

Richard Fontaine, CEO des US-amerikanischen Thinktanks "Center for a New American Security" (CNAS).
© CNAS

Das ist also genau gegensätzlich. Es gibt derzeit nicht nur eine Politik.

Woher kommt dieser Unterschied?

Fontaine: Daher, dass in vielen dieser Punkte niemand dem Präsidenten zustimmt, außer er sich selbst. Niemand außer Trump, nicht der Vizepräsident, nicht der Außenminister, ganz sicher niemand aus dem Kongress hat etwas Positives über Wladimir Putin zu sagen. Weil sie dem einfach nicht zustimmen. Obwohl der Präsident wirklich persönlich hinter dem steht, was er sagt. Da gibt es also eine Inkohärenz. Der Präsident bringt seine Sichtweise ein, aber dann gibt es innerhalb der Administration einen Prozess der Entscheidungsfindung.

Bob Woodward beschreibt in seinem Buch „Fear“ wie das engste Umfeld gegen den Präsidenten arbeitet. Wenn der Präsident etwas anderes sagt, als dann getan wird – bedeutet das, dass er überstimmt wird?

Fontaine: Das weiß ich nicht, ich arbeite nicht in der Regierung. Es wäre aber denke ich nicht richtig zu sagen, dass der Präsident überstimmt wird. Vielleicht ist das jetzt anders, aber bisher habe ich noch nie gesehen, wie ein Präsident überstimmt wird – von wem auch immer. Außer den Gerichten. Manchmal ändert ein Präsident natürlich seine Meinung. Was dann zu einer Kursänderung führt.

Berichten zufolge haben Personen tatsächlich Dokumente, die Trump unterzeichnen wollte, vom Tisch des Präsidenten entwendet.

Fontaine: Davon gibt es ein Beispiel. Gary Cohn [Ex-Wirtschaftschefberater Trumps, Anm.] soll das gemacht haben. Ich treffe ihn in Kürze, dann kann ich Ihnen vielleicht sagen ob das stimmt. Ich weiß es nicht.

Letzten Monat verließ Trump einen Gipfel mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ohne Ergebnisse. Bedeutet das, dass Trumps Gipfeldiplomatie damit gescheitert ist?

Fontaine: Wahrscheinlich. Nach den Erfahrungen in Singapur dachten die Nordkoreaner, dass sie mit Trump und Kim in einem Raum einen besseren Deal aushandeln könnten als auf Arbeitsebene. Was Nordkorea vorschlug, war für die USA nicht akzeptabel. Dann aufzustehen benötigt auch Rückgrat. Gleichzeitig glaube ich auch nicht, dass die Nordkoreaner jemals auf Trumps Deal eingehen werden. Sie werden ihre Atomwaffen nicht aufgeben. Das war einfach nie ein realistisches Ziel.

Sie wurden in der Washington Post zitiert: „Ein Gipfel sollte die Karotte für das Ende eines zufriedenstellenden Prozesses sein, nicht der Beginn“. Steht Trumps Bedürfnis für eine große Bühne und ein öffentliches Spektakel im Weg?

Fontaine: Ich glaube, er dachte wirklich, dass er persönlich einen Deal schließen könnte. Mochte er die Aufmerksamkeit? Ja, wahrscheinlich. Aber das alleine hätte ihn wohl nicht nach Hanoi gebracht. Sondern die Aussicht auf eine Lösung eines Problems, das noch kein Präsident lösen konnte. Nur gibt es einen Grund, warum das so ist – für dieses Problem wird es vielleicht keine Lösung geben. Aber zumindest hat Trump die Hypothese getestet, dass Kim Jong-un ein anderer Führer ist als sein Vater und Großvater und man auf höchster Ebene einen Durchbruch erreichen kann.

Kurz vor dem ersten Gipfel beschimpften sich Kim Jong-un und Donald Trump noch – „Raketenmann“, „geistesgestört“. Trump drohte mit „Feuer und Wut“. Kehren wir jetzt wieder dahin zurück?

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump beendeten ihren Gipfel in Hanoi abrupt und ohne Einigung.
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Fontaine: Schlussendlich, wahrscheinlich ja. Noch gefällt den Nordkoreanern der diplomatische Prozess, weil sie sich davon eine Erleichterung der Sanktionen versprechen. Sie wollen aber eine vollständige Aufhebung der Sanktionen. Weder Nordkorea noch die Trump-Regierung werden von ihrer Position abweichen. Beide Seiten werden also den Druck erhöhen. Dieser Prozess hat schon begonnen. Noch haben sie nicht wieder mit Raketentests begonnen. Wenn sie aber alle Optionen ausgeschöpft haben und die Sanktionen noch immer da sind – dann bleiben ihnen nur noch Raketentests. Ich glaube nicht, dass wir schon morgen wieder bei „Feuer und Wut“ sind. Aber in einem Jahr könnten wir das sein.

Es gab bereits gescheiterte Versuche, einen Deal mit Nordkorea zu schließen. Hat Trump in diesem Konflikt etwas erreicht, was seinen Vorgänger nicht gelang?

Fontaine: Ja, es gibt momentan keine Raketentests. Das ist eine große Sache. In den Tagen von „Feuer und Wut“ schossen die Nordkoreaner noch Raketen ab und testeten Atomwaffen. Die USA waren damals auf Kriegspfad. Egal ob man das dem Präsidenten als Erfolg verbucht oder nicht, ist das ein gutes Resultat – solange es anhält. Andernfalls sind wir wieder bei „Feuer und Wut“ – gefährliches Territorium.

Zur Person

Richard Fontaine war fünf Jahre lang Außenpolitikberater für US-Senator John McCain (Republikaner, Arizona). Er war auch im Präsidentschaftswahlkampf 2008, als dieser gegen Barack Obama antrat, für McCain tätig. Nach Posten im Außenministerium, im Nationalen Sicherheitsrat der USA und im Kongress ist Fontaine nun Geschäftsführer des Thinktanks „Center for a New American Security“ (CNAS).

Trump rühmte sich mehrfach damit, Krieg mit Nordkorea abgewendet zu haben – der laut ihm unter Obama kurz bevorstand.

Fontaine: Obama stand niemals kurz davor, Krieg mit Nordkorea zu führen. Trump stand kurz davor und entschied sich dann dagegen. Es war nicht so als ob Obama kurz davor stand Nordkorea zu attackieren und Trump ins Amt kam und das abwendete. Das ist nicht meine Erinnerung an die Geschichte.

Trump erkannte israelische Autorität über die umstrittenen Golanhöhen an. Damit änderte er eine jahrzehntelange Haltung der USA – per Twitter. Kritiker warnen, dass das einzig Öl in brennendes Feuer gießt. Was will Trump damit erreichen?

Fontaine: Ich kenne seine persönlichen Beweggründe nicht. Aber die Vorhersagen, was dann passieren würde, waren wohl falsch. Vorausgesagt wurde: Wenn man das macht, löst man eine dritte Intifada aus. Es kam aber zu keinem Aufstand. Es wurden zwar nun Raketen abgefeuert – aber nichts ist in dem Ausmaß passiert wie angenommen. Ich glaube man könnte auf dem Zeitpunkt von der Ankündigung Trumps herumreiten. Die Wahlen in Israel stehen kurz bevor. Und die USA halten sich eigentlich aus den Wahlen in anderen Ländern heraus.

Ich glaube aber nicht, dass wir nun keine Grundlage mehr haben um Russland für die Annexion der Krim zu kritisieren. Es geht um die Umstände, in der diese Gebiete annektiert wurden. Die Krim beispielsweise war ein Eroberungskrieg, wo ein Staatschef entschied, er wolle das Gebiet jemand anderes und es annektiert hat. Wir sind jetzt also nicht okay damit, dass sich jemand gewaltsam ein Gebiet aneignet.

Wer wird 2020 gegen Präsident Trump antreten?

Fontaine: Ich habe keine Ahnung. Oft sind Kandidaten unerwartet gekürt worden. Barack Obama war erst eineinhalb Jahre lang Senator. Bill Clinton wurde nur deshalb Kandidat der Demokraten, weil George H. W. Bush so hohe Zustimmungswerte hatte und dieser Umstand andere vielversprechende Kandidaten abschreckte. Und dann wurde Clinton plötzlich Präsident – für acht Jahre. Es ist einfach unmöglich, das vorherzusagen.

Selbst bei Hillary Clinton war es vor drei Jahren überraschend, wie lange sich Bernie Sanders im Rennen halten konnte. Ein selbstbekennender „demokratischer Sozialist“, der nicht einmal Parteimitglied ist. Dass es so viel Enthusiasmus um ihn geben würde, war nicht vorhersehbar. Und ich habe das Gefühl, dass es diesmal noch schwerer ist, das vorherzusehen.

Die letzte Wahl war ein Dammbruch dafür, was man dachte, was man tun muss oder wie man sein soll, um sich für das Präsidentenamt zu bewerben. Donald Trump war ein Reality-TV-Star. Jetzt bewirbt sich etwa der Bürgermeister von South Bend, Indiana [Pete Buttigieg, Anm.] – was die meisten Amerikaner nur schwer auf der Karte finden würden. Und es ist trotzdem nicht verrückt zu denken, dass er von der Partei nominiert werden könnte. Die Grenzen dessen, was möglich ist, wurden verschoben.

Ist es überhaupt von Belang, wer schlussendlich gegen Trump antritt?

Fontaine: Natürlich. Man muss jemanden mit jemandem schlagen. Das Rennen wird natürlich vor allem, wie üblich, eine Abstimmung über den Amtsinhaber sein. Was wiederum bedeutet, dass die Wirtschaftsdaten ausschlaggebend sein werden. Aber: Donald Trump ist kein normaler Politiker. Bei ihm gelten die normalen Gesetze der politischen Physik nicht.