Oper

Wiener Staatsoper: Antiker Rachedurst in Schönheit gestillt

Orest (Thomas Johannes Mayer) ist in Manfred Trojahns Oper von Rachegöttinnen verfolgt und von Angst zerfressen.
© Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

An Manfred Trojahns „Orest“ zeigt die Wiener Staatsoper, wie man zeitgenössische Oper zähmt.

Von Stefan Musil

Wien –Es beginnt mit dem Todesschrei der Klytämnestra und hört dann 80 Minuten lang nicht mehr auf, sich emotional aufzubäumen, zu brodeln, düster zu dräuen und albzuträumen. So, als ob man die Atriden in den Druckkochtopf gesteckt hätte. So, als wäre man in die Psychose von Orest geraten, nachdem der seinen Vater Agamemnon gerächt hat, indem er seine Mutter Klytämnestra erschlug. Bei Euripides verfolgen ihn jetzt die Erinnyen. Damit beginnt die Kurzoper des Deutschen Manfred Trojahn.

2011 erlebte „Orest“ in Amsterdam seine Uraufführung und wurde viel nachgespielt. 2014 auch von der Neuen Oper Wien. Die Wiener Staatsoper hat damit nun eine Lücke in ihrem Jubiläums-Rahmen gefüllt. Ursprünglich wollte man der Eröffnung des Hauses vor 150 Jahren auch mit einer Uraufführung gedenken. Doch Krzysztof Penderecki, den man um eine „Phaedra“ bat, sagte vor einem Jahr ab.

Der Griff zu „Orest“ ist pragmatisch gewählter Ersatz, in seiner Kürze wohl auch praktikabel. Das Werk ist in stimmiger, expressiver, nie zu forscher Moderne geschrieben und verschreckt niemanden. Vor allem nicht, wenn es so hübsch harmlos illustriert und eher unreflektiert auf Repertoiretauglichkeit heruntergebrochen wird wie vom verlässlichen Theaterpraktiker Marco Arturo Marelli.

Er lässt die Sänger emotional am Daueranschlag herumrennen, kriechen und straucheln oder herumstehen. Er stellt Orests Kampf gegen den ewigen Kreislauf aus Hass, Mord und Sühne in einen großen, schneckenförmigen Raum, der sich, steil gestellt, nach hinten zu verjüngt.

Am Ende hat Orest, der intensive Bariton Thomas Johanne­s Mayer, dann kein­e Lust mehr aufs Morden, er möchte mit Hermione aus der Macht der Götter in ein selbstbestimmtes Leben finden. Ob es gelingt, wird nicht verraten.

Aber Hermione ist die einzige Lichtgestalt. Trojahn fordert von ihr eigentlich unsingbare Höhen, die Audrey Luna dennoch imposant abliefert. Ihre Mutter, die schöne Helena (Laura Aikin), hat als überreife Marilyn ihren eindrucksvollen Auftritt, bis sie von Orest erschlagen wird. Elektra turnt dazu rachedurstig das Hackebeil schwingend und Evelyn Herlitzius gibt ihr die höchstdramatische Stimme.

Thomas Ebenstein als Menelaos und Daniel Johansson als Apollo/Dionysos ergänzen mit charaktervollen Tenorstimmen. Dirigent Michael Boder führt sie alle sicher und lässt 80 Minuten druckvollen Schönklang aus dem Graben strömen.

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