Filmpremiere

Innsbrucker erinnern sich: Die Geschichte einer Stadt in 60 Minuten

Fünf Jahre vergingen von der Idee bis zur Premiere 2019. Die 31-jährige Tirolerin Anja Larch steckte viel Arbeit und Herzblut in ihr erstes Filmprojekt.
© Malle

Die Tirolerin Anja Larch hat 60 Jahre Innsbrucker Stadtgeschichte von 60 Zeitzeugen in jeweils einer Minute erzählen lassen. Am 10. April feiert “ZeitZeigerInnen“ im Innsbrucker Leokino Premiere. Im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung Online spricht die 31-jährige Filmemacherin über die Herausforderungen, Konfliktpunkte und schönsten Momente, die ihr Filmebüt mit sich brachte.

Worum geht es in "ZeitZeigerInnen"?

Anja Larch: "ZeitZeigerInnen" ist eine Art Geschichtsdoku. Ich wollte Geschichte aber auf polyphone Art sehen und zeigen. Wenn man normalerweise ein Geschichtsbuch in die Hand nimmt, dann wurde das Geschehen von einigen wenigen Experten aus einer Sicht niedergeschrieben. Ich wollte hingegen versuchen, einen Teil der Innsbrucker Zeitgeschichte (1955 - 2015, Anm.) von vielen verschiedenen Stimmen erzählen zu lassen. Und dabei dann sowohl auf kleine Ereignisse eingehen, die nur die einzelne Person betroffen haben, als auch auf größere geschichtliche Ereignisse wie die Olympischen Spiele in Innsbruck 1964 und 1976. Ich wollte gerne herausfinden, wie das einfache Menschen persönlich erlebt haben.

Warum der Titel?

Larch: Es spricht jeweils eine Person eine Minute lang über ein Ereignis in einem Jahr. Eine Minute deshalb, weil ich damit das Thema Zeit noch etwas mehr thematisieren konnte. In einer Minute hat viel mehr Platz, als man meint. Da sind ganze Geschichten entstanden. Und gleichzeitig wird der schnelle Lauf der Zeit dargestellt, weil der Zeiger nach einer Minute vorrückt zum nächsten Jahr. In 60 Minuten werden wirklich 60 Jahre erzählt bzw. Zeit gezeigt.

Wie kam die Idee zu dem Film?

Larch: Ich hab 2014 selbst bei einem Filmprojekt mitgewirkt. Dabei sollten Innsbrucker die Stadt aus ihrem Gedächtnis zeichnen. Die Leute zeichneten hauptsächlich Orte aus ihrer Kindheit und erzählten dabei sehr viel darüber. Die Regisseurin wollte allerdings Aufnahmen ohne Ton für ihr Projekt. Da ist die Idee gewachsen, den Erinnerungen der Stadtbewohner eine Stimme zu geben. Dann hab ich ein Konzept geschrieben und schließlich nach zweitmaligem Einreichen 2015 eine Förderung für das Projekt erhalten.

"ZeitZeigerInnen - Menschen zeigen Zeit und erzählen Geschichte" im Leokino:

Premiere am Mittwoch, 10. April 2019, 18 Uhr im Leokino Innsbruck bereits ausverkauft. ZUSATZVORSTELLUNGEN: Sa, 13.4. um 14.20 Uhr und So, 14.4. um 16.55 Uhr. Karten sind an der Kasse oder mit Vorreservierung unter Tel. 0512/560470 erhältlich.

Wie bist du dann an die Umsetzung herangegangen?

Larch: Ich habe mit einem Filmstudio zusammengearbeitet. Das Konzept war zugleich Drehbuch. Wir haben an sechs Aufnahmetagen 60 Leute ins Studio geholt und nacheinander aufgezeichnet. Ich habe nicht zu viele Vorgaben gemacht, weil ich wollte, dass die Erzählungen spontan kommen und die Leute auch selber entscheiden können, worüber sie reden.

Hat alles so geklappt?

Larch: Nicht ganz. Die erste Version der Erzählung war immer die authentischste - nur war die selten nur eine Minute lang. Die Leute mussten ihre Geschichte meist mehrmals erzählen und so war es nicht mehr ganz so spontan. Am Ende wurden einige Aufnahmen auch geschnitten, was ich ursprünglich abgelehnt hatte. Im Nachhinein gesehen, war das ein Fehler, weil man das im Film teilweise merkt. Andererseits war es einfach nicht anders möglich.

Andrea Umhauer spricht über die Sowi-Max-Besetzung 2009.
© Larch

Was war die größte Herausforderung?

Larch: Das Schwierigste war neben der Einhaltung des Budgets 60 Leute zu finden, die vor der Kamera etwas erzählen wollen. Es ist etwas ins Rollen gekommen, als ich die ersten 5 Protagonisten hatte - durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Aber ich habe auch über Social Media gesucht und Anzeigen in der Zeitung geschaltet.

Musstest du von deinem Konzept abweichen?

Larch: Die ursprüngliche Idee war, dass nur die Menschen im Fokus stehen und vor einer schwarzen Leinwand erzählen, damit die Bilder beim Zuschauer selbst im Kopf entstehen. Aber dann hab ich so tolles Bildmaterial bekommen. Zum Beispiel ein Filmdokument, wo man sieht, wie die Queen zu Besuch auf dem Bauernhof einer Erzählerin ist — und die Erzählerin selbst als damals 15-Jährige. Einmal angefangen, habe ich in unzähligen Fotoalben und Archiven nach Bildmaterial gestöbert, mit dem wir die Erzählungen dann illustriert haben. Auch wenn ich im Nachhinein nicht darauf verzichten möchte, war das Abweichen vom Konzept schon der größte Konfliktpunkt.

Warum?

Larch: Weil ich unbedingt an meiner Idee festhalten wollte. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Es waren natürlich nicht alle Erzählungen gleich spannend. Bei manchen Erzählern hätte man zwei Stunden zuhören können und bei anderen konnte diese eine Minute schon etwas schleppend sein. Das Filmstudio hatte dann die Idee nur 30 Personen zu nehmen. Ich wollte aber niemanden im Nachhinein rausschneiden und auch nicht von der Idee, ein Stunde voll zu haben, abweichen. Das haben wir schließlich auch nicht gemacht. In Summe ist aber schon ein Kompromiss herausgekommen.

Die Queen zu Gast in Tirol 1969.
© Screenshot/Tirol im Film

Was würdest du das nächste Mal anders machen?

Larch: Ich würde einiges im Vorfeld genauer klären. Bevor man zur Kamera greift, sollte man genau wissen, was man haben will. Und nicht nach dem Motto "schau ma dann", wie wir das oft gemacht haben. Und man sollte für so eine Idee unbedingt mehr Zeit einplanen. Denn es ist sehr viel Arbeit, wenn man im Nachhinein etwas wieder so hinbiegen muss, wie man es vorher wollte.

Teilweise waren zu den Aufnahmen zehn Leute an einem Nachmittag eingeladen, pro Person waren 30 Minuten eingeplant. Als die das dann nicht auf Anhieb hinbekamen, blieb sehr wenig Zeit.

Was hast du dir bei der Umsetzung anders vorgestellt?

Larch: Ich hab die Nachbearbeitung, also das Schneiden weniger zeitaufwändig erwartet. Auch das Selektieren und Reduzieren der aufgenommenen Takes empfand ich als besonders schwierig. Das ist bei jedem Film so, aber ich wusste es im Vorhinein nicht, da es ja mein Debüt ist.

Was war der schönste Moment?

Larch: Eigentlich gab es sehr viele schöne Momente, jedes Mal, wenn die Leute ihre Geschichten erzählt haben. Ich hab als Kind schon liebend gerne meiner Oma zugehört, wenn sie von Früher erzählt hat. Das hat mich sehr daran erinnert.

Was würdest du jemandem mit einer Filmidee raten?

Larch: Wie schon gesagt, die Planung im Vorhinein ist wichtiger, als man anfangs vielleicht denkt. Darüber hinaus würde ich aber vor allem raten, den Mut ruhig aufzubringen, eine Idee niederzuschreiben und um eine Förderung anzusuchen. Denn im Endeffekt braucht man zur Verwirklichung einfach Geld.

(Das Gespräch führte Vanessa Grill)

Der Film "ZeitZeigerInnen" wird am 10., 13. und 14. April im Innsbrucker Leokino gezeigt.
© Larch

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