Klassisch konturiert, innen innovativ
Das Wagnis, sich mit einer Stufenhecklimousine im Mittelklassesegment zu behaupten, wird immer größer – BMW geht das Risiko mit dem fahrdynamischen 320d xDrive der neuesten Generation dennoch ein.
Von Markus Höscheler
Eben –Die erste Zahl flößt fast schon Ehrfurcht ein, die zweite verdient Respekt, die dritte Beachtung. Rund 15 Millionen Mal (die erste maßgebliche Zahl) hat BMW die 3er-Reihe über verschiedene Generationen und Karosserievarianten in mehr als 40 Jahren verkauft. Im Vorjahr gelang es dem Konzern, 366.475 Einheiten (die zweite maßgebliche Zahl) davon abzusetzen – aber das sind 10,4 Prozent (die dritte maßgebliche Zahl) weniger als im Jahr 2017. Auch BMW ist davon betroffen, dass die Mittelklasse nicht mehr die Anziehungskraft früherer Jahre hat; dass sich Sport Utility Vehicles einer immer größeren Beliebtheit erfreuen; und dass das klassische Stufenheck ohnehin immer weniger Freunde findet.
BMW will aber nicht kampflos aufgeben, zu groß ist das Erbe angeschwollen – schließlich will der Konzern nicht alles auf die SUV-Karte und auf die Elektrifizierung setzen. Zumindest vorerst nicht. So dürfen wir uns noch einmal auf einen Viertürer freuen, der gegenüber allen Vorgängern gereift ist, von der Formensprache her aber wieder klar als ein Vertreter seiner Zunft erkennbar ist. Die Doppelniere darf sich mit neuer Interpretation zwischen die unten angeschnittenen Frontscheinwerfer schieben. Der Kühlergrill ist dabei im oberen Bereich geknickt, verleiht der Front eine zusätzliche dreidimensionale Wirkung. Falten in der Motorhaube und akzentuierte Seitenschweller bringen Abwechslung in die ansonsten recht schnörkellos ausgeführte Karosserie.
Stilbrüche sehen anders aus – gleichwohl sind Stilbrüche in einer neuen 3er-Reihe zu erwarten. Nicht außen, aber innen: Hier finden wir anstelle analog ausgeführter Anzeigen ein großes volldigitales Instrumentarium mit gewöhnungsbedürftiger und gleichzeitig gefälliger Darstellung. Tempo und Drehzahlmesser sind nicht ringförmig angeordnet, sondern nur halbkreisförmig und obendrein gegenläufig. Das mag anfangs verwirren, ist aber dank gestochen scharfer Auflösung gut ablesbar. Wem der Blick hinter das Lenkrad nicht die Mühe wert ist, der gibt sich vielleicht mit dem großzügig dimensionierten Head-up-Display zufrieden, das einmal mehr eine Benchmark im Sektor darstellt und zur Nachahmung empfohlen werden kann. Auch hier sind Informationsdargebot und Darstellungsschärfe vorbildlich – das lässt sich überdies übertragen auf ein weiteres Display, das auf der Mittelkonsole thront und dem Infotainmentsystem samt Navigation zu Diensten ist. Die Bedienung ist auf vielerlei Wegen möglich – Spracheingabe, Lenkradtasten, iDrive-Controller, Gestensteuerung, Touchfunktion –, ganz nach Belieben des Fahrers. Nicht immer beliebt ist die Anbindung an Smartphones, hier hatten wir bei früheren BMW-Modellen schon wiederholt Probleme mit dem Dreieck iTunes, Podcasts und Amazon Music. Keine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht der 320d dar, der uns mit einer Umkehrung überraschte. Apple Car Play funktionierte, die Tonausgabe erfolgte interessanterweise zeitweise über das Smartphone selbst. Nach zwei Neustarts und einer anders gewählten Smartphone-Anbindung hatten wir diese Ablenkung nicht mehr.
Großzügigst bestückt hat BMW den Testwagen mit Fahrerassistenzsystemen versehen, die teilweise als Sonderausstattung zusätzlich zu bezahlen sind. Der Spurhalteassistent war uns gelegentlich zu übereifrig mit seinen Lenkeingriffen, insbesondere bei Überholvorgängen. Erfreulich: Einzelne Sicherheitsfeatures lassen sich einzeln aktivieren und deaktivieren. Noch erfreulicher, wenngleich erwartbar: das Zusammenspiel des 190 PS starken Flüsterdiesels mit der hochaufmerksamen Achtgangautomatik und dem traktionssichernden xDrive-Allradsystem. Die Fahrfreude ist folglich einmal mehr – auf ohnehin schon sehr hohem Niveau – gereift.