Machtverlust für Kickl: Kurz fordert Zugriff auf die Nachrichtendienste
ÖVP-Chef Kurz fordert die rasche Umsetzung der im Koalitionsprogramm verankerten neuen Berichtspflichten der Nachrichtendienste an Kanzler und Vizekanzler. Der freiheitliche Innenminister Herbert Kickl würde damit die alleinige Zuständigkeit für den Verfassungsschutz verlieren.
Wien – Im Koalitionsprogramm findet sich die entsprechende Passage auf Seite 15, Kapitel „Verwaltungsreform und Verfassung“, Abschnitt „Vermeidung von Parallelstrukturen“: „Es werden Berichtspflichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, des Heeres-Nachrichtenamtes und des Abwehramtes an den Bundeskanzler und den Vizekanzler eingerichtet.“
ÖVP-Chef Bundeskanzler Sebastian Kurz nimmt die Enthüllungen um Verbindungen des Christchurch-Attentäters zu den rechtsextremen „Identitären“ sowie die Diskussion um Verbindungen der Identitären zur FPÖ nun zum Anlass, vom blauen Koalitionspartner die rasche Umsetzung dieses Vorhabens zu fordern. Dies wurde den Bundesländerzeitungen im Kanzleramt unter Hinweis auf eine Arbeitsgruppe bestätigt.
Kickl soll an Einfluss verlieren
Adressat des Vorstoßes ist Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der an Einfluss verlieren soll. Zu seinem Ressort gehört das „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“. Zwei weitere Geheim- bzw. Nachrichtendienste gehören zum ebenfalls FPÖ-geführten Verteidigungsministerium: Das „Abwehramt“ für den Eigenschutz des Militärs und das „Heeres-Nachrichtenamt“ für die Auslandsaufklärung.
Die laufende Tätigkeit der Dienste wird von den Rechtsschutzbeauftragten des Innen- und Verteidigungsministeriums beaufsichtigt. Nachträgliche Kontrolle findet in vertraulichen Unterausschüssen des Nationalrats und im Nationalen Sicherheitsrat statt.
Die zusätzlichen Berichtspflichten im Regierungsprogramm waren ein Anliegen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Damit sollte der Kritik begegnet werden, dass unter Türkis-Blau alle drei Nachrichtendienste in freiheitlicher Hand sind.
Im Zusammenhang mit zusätzlichen Berichtspflichten an Kanzler und Vizekanzler – konkret also Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache – steht die Absicht einer Zusammenführung der Rechtsschutzbeauftragten (auch aus dem Justiz- und dem Finanzministerium) in einer neuen Stelle, die ebenfalls bei Kanzler und Vizekanzler angesiedelt sein soll.
Kurz erhöht Druck auf FPÖ
Kurz machte am Montag auch direkt Druck auf den Koalitionspartner FPÖ. Anlass sind Berichte über Identitäre und eine FPÖ-nahe Burschenschaft als Mieter in derselben Linzer Villa. Kurz in den Oberösterreichischen Nachrichten: „Jede Art der Verflechtung zu den Identitären gehört aufgelöst. Wegschauen geht nicht.“ Rechtsradikale seien „um nichts besser als islamistische Extremisten. Beide radikalen Ideologien stellen für unser Land eine Gefahr dar und haben in unserer freien und liberalen Gesellschaft keinen Platz“.
Die „Villa Hagen“ gehört laut OÖN einem von FPÖ-Funktionären geführten Studentenheim. Das Haus beherberge außerdem die Burschenschaft „Arminia Czernowitz“, der führende Linzer FPÖ-Kommunalpolitiker angehören, sowie das „Khevenhüller-Zentrum“ der Identitären.
Aus den Reihen des Studentenheim-Vereins und der Linzer FPÖ werden die Verbindungen zu den Rechtsextremen dementiert. Es gebe keinen Mietvertrag mit den Identitären. Es sei sich nicht bekannt gewesen, dass die Identitären auch in dem Gebäude seien. (sabl, TT)