Internationale Pressestimmen zur Kommunalwahl in der Türkei

Wien (APA/AFP/dpa) - Zu den Kommunalwahlen in der Türkei und den Folgen für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schreiben intern...

Wien (APA/AFP/dpa) - Zu den Kommunalwahlen in der Türkei und den Folgen für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schreiben internationale Tageszeitungen am Dienstag:

„El Mundo“ (Madrid):

„In seiner autoritären Abdrift ist der türkische Präsident auf ein unerwartetes Hindernis gestoßen: die Bürger. Die Wahlen vom Sonntag, die (Recep Tayyip) Erdogan die erste Schlappe in langer Zeit zufügten, spiegeln nämlich die Ablehnung einer Politik wider, die das Land ins Desaster führt. Die Türken leiden unter einer starken Rezession, einer steigenden Arbeitslosigkeit und einer hohen Inflation, die zum großen Teil Folgen der fehlerhaften Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung sind. Das alles in einem Szenario, in dem der Präsident dank der Verfassungsreform fast unumschränkte Macht genießt, die Pressefreiheit durch Abwesenheit glänzt, die Unterdrückung zuletzt rapide verschärft wurde und die Opposition nahezu ausgeschaltet ist.“

„La Repubblica“ (Rom):

„Recep Tayyip Erdogan hat alles gegeben, um diese Kommunalwahlen in ein Referendum über seine Person zu machen. Es war ein Versuch, die negativen Auswirkungen der wirtschaftlichen Rezession, die das Land erfasst hat und einen politischen Preis hat, mit seiner Beliebtheit abzuschwächen. Es ist ihm nicht gelungen. Und jetzt scheint die Niederlage, vor allem in Ankara und in Istanbul, ein ernstzunehmender Stolperstein in seiner langen Karriere - wenn nicht gar ein Zeichen für den Untergang des Präsidenten.“

„Dernières Nouvelles d‘Alsace“ (Paris):

„Selbst ein Meister der Unterdrückung freier Meinungsäußerung wie der türkische Präsident Erdogan muss den Umschwung an den Urnen zur Kenntnis nehmen. Nach so vielen Bemühungen, die Spielregeln zu beugen, kann man sich sein zorniges Gesicht vorstellen angesichts der Leiden der Präsidentenpartei in so symbolträchtigen Städten wie Istanbul und Ankara. Die Wirtschaftslunge des Landes und sein politisches Herz offenbaren, dass sie der Herrschaftsmethoden überdrüssig sind. Der Stimme und Werbung beraubt sind die Gegner des Regimes logischerweise die gewählten Nutznießer eines Knurrens der Rezession geworden.“

„De Telegraaf“ (Amsterdam):

„Hauptgründe für Erdogans historischen Verlust sind die Rezession und die hohe Inflation. Beide lassen sich auf die Wirtschaftspolitik unter Erdogan zurückführen.(...) Die Frage ist, was jetzt in der Türkei passieren wird. Zum einen befinden sich die meisten Medien immer noch in den Händen von Erdogan. Darüber hinaus hat der Präsident des Landes dank der Verfassungsänderungen viel Macht. Die nächsten Präsidentschaftswahlen werden erst 2023 stattfinden, genau hundert Jahre nach Ausrufung der säkularen Republik Türkei.“

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Gewählt wird erst 2023 wieder ein Parlament, seit dem Wechsel zu einem Präsidialsystem 2018 ist es ohnehin kastriert. Zudem könnte Erdogan wohl auch seine Drohung aus dem Wahlkampf wahr machen und ‚terroristische‘ Bürgermeister durch Zwangsverwalter austauschen - ganz so, wie er es bereits in Dutzenden von kurdischen Städten getan hat. Wer weiss, wie verbittert der Präsident stets um die Macht kämpft, traut ihm alles zu. Die türkische Opposition sollte sich bloß nicht zu früh freuen.“