Casa Verdi in Mailand: Ein Altersheim für Musiker
Mailand (APA/AFP) - Klavierspiel erfüllt die Flure des prächtigen Mailänder Palastes, in einem Saal gibt eine ältere Sängerin ein Konzert. I...
Mailand (APA/AFP) - Klavierspiel erfüllt die Flure des prächtigen Mailänder Palastes, in einem Saal gibt eine ältere Sängerin ein Konzert. Ihr Publikum: andere Musiker im Rentenalter. Sie alle haben in dem Palazzo ihr letztes Zuhause gefunden. Ein Altersheim für Musiker - das war die Idee des Italieners Giuseppe Verdi. Knapp 120 Jahre nach seinem Tod gibt es die Casa Verdi noch immer.
Die Casa Verdi sei sein „schönstes Werk“, schwärmte der Komponist zu Lebzeiten. „Dieser Ort ist ein Paradies“, begeistert sich auch Marisa Terzi. Die 79 Jahre alte Sängerin und Komponistin zog vor vier Monaten ein. „Hier vergeht die Zeit wie im Flug. Schon am Morgen spielt ein Pianist und alle kommen, selbst die im Rollstuhl“, sagt Terzi. „Wir singen zusammen - das ist so schön. Und jeden Nachmittag gibt es Konzerte.“
Terzi ist eine von etwa 60 Musikerinnen und Musikern, die in der Casa Verdi leben. Verdi, der Schöpfer von bedeutenden Opern wie „Aida“ und „La Traviata“, war selbst schon ein älterer Mann, als er den Palast - damals noch in ländlicher Umgebung am Stadtrand - bauen ließ. Den neoklassizistischen Bau entwarf Camillo Boito, der Bruder von Verdis Librettist.
Verdi wollte damit verarmten Musikern einen Lebensabend in Würde ermöglichen. 1902, ein Jahr nachdem Verdi mit 87 Jahren gestorben war, zogen die ersten Bewohner ein.
Bis heute wird das Altersheim von der Verdi-Stiftung geführt - ohne öffentliche Gelder und Schulden, wie der Leiter Roberto Ruozi stolz sagt. Die Tantiemen für Verdis Werke flossen in die Stiftung; heute finanziert sich das Altersheim größtenteils über die Einnahmen aus Immobilien. Von den Bewohnern zahlt jeder so viel, wie es ihm möglich ist.
„Man kümmert sich wunderbar um uns. Wir bekommen Unterkunft ,Verpflegung und medizinische Versorgung, sagt der 71-jährige Raimondo Campisi, der seit vier Jahren in dem Palast lebt. Als Pianist reiste er um die Welt, 20 Jahre wohnte er auf einem Boot in Südfrankreich.
Auch die in Rumänien geborene Musikwissenschaftlerin Bissy Roman hat in Russland, Frankreich und den USA gelebt, bis sie sich für Mailand als letzte Station entschied. „Irgendwann fühlte ich mich ganz allein in der Welt und dann war die Casa Verdi die Lösung“, sagt die 94-Jährige. „Ich will mit Musik im Herzen und umgeben von Musikerkollegen sterben.“
Doch nicht nur alte, sondern auch 15 junge Musiker sind in der Casa Verdi zu Hause. Seit 1999 nimmt die Stiftung auch Musikstudenten aus aller Welt auf, um die Generationen zu verbinden. Die 30 Jahre alte Sopranistin Marika Spadafino weiß diese Altersmischung zu schätzen.
„Ich spreche viel mit den Rentnern, sie geben mir Tipps und teilen ihre Erfahrungen“, sagt sie. „Und wenn es mal nicht so gut läuft, trösten sie mich und geben mir Kraft weiterzumachen.“
Doch auch unter Musikern herrscht nicht immer Harmonie. „Wenn man 60 Künstler zusammen packt, können Sie sich vorstellen, was da los ist!“, sagt Pianist Campisi. Dennoch genießt Sängerin Terzi jeden Tag, der ihr noch in der Casa Verdi vergönnt ist. „Wir wissen alle, dass wir hier sterben werden“, sagt sie. „Wir sind bereit.“