Tirol

Willi legt bei Steuer nach: Zuviel Bauland, zu wenig Nutzen

Innsbrucks Bürgermeister Willi nimmt den Bund an die Kandare: Die Grundsteuer soll mehr Steuergerechtigkeit bringen. Unterdessen wollen die NEOS Flächenfraß stoppen.

Innsbrucks Bürgermeister Willi nimmt den Bund an die Kandare: Grundsteuer soll mehr Steuergerechtigkeit bringen. NEOS wollen den Flächenfraß stoppen.

Von Marco Witting und Manfred Mitterwachauer

Innsbruck — Der Bund soll es richten. Zumindest einen Teil des Problems namens „mehr leistbarer Wohnraum". Diese Botschaft schallte gestern aus gleich zweierlei Polit­richtung nach Wien. Einmal vom grüne­n Innsbrucker Bürgermeister und einmal von den NEOS.

Es ist ein ungleiches Verhältnis. 12.007 Euro nimmt die Stadt Innsbruck an Grundsteuer A (das sind land- und forstwirtschaftliche Flächen) ein. Knapp 12 Millionen Eur­o aus der Grundsteuer B für Grundvermögen. Das Problem dabei: Selbst wenn man den Bereich der Nordkette in der Landeshauptstadt herausrechnet, dann entfallen auf die Grundsteuer A immer noch 42 Prozent der Flächen in der Stadt. Und deshalb möchte BM Georg Willi eine Reform der Grundsteuer. Das ist Bundessache und wohl ein Wunsch an den Osterhasen. Doch Willi hofft auf Rückenwind durch den Städtebund, in dem auch andere Kommunen auf eine Änderung drängen. „Das Horten von Bauland darf nicht gratis sein", sagte der Stadtchef und untermauerte damit das, was er bereits via TT Mitte März ventiliert hatte. Willi verweist auch auf eine Regierungsvorlage des Bundes aus dem Jahr 2001, die genau dieses Thema gelöst hätte, letztlich aber von der ÖVP verhindert worden sei.

Viele Baulandflächen würden bei der Besteuerung noch immer als landwirtschaftliche Flächen geführt, „daher zahlen die Eigentümer praktisch nichts". Das soll sich ändern. Dazu legte Willi gestern eine (nicht vollständige) Liste vor, in der Beispiele für den Ist-Stand aufgeführt werden. So fließen für 4132 m² eines Grundstücks in Igls nur 3,70 Euro Grundsteuer pro Jahr. Bei einem ähnlich großen Grundstück, auf dem ein Wohnblock errichtet wird, wären knapp 8000 Euro Grundsteuer zu zahlen. „Es ist ein Nachteil, dass die Finanzämter die Abwicklung machen, weil sie nichts davon haben. Deshalb sollte diese in die Hand der Gemeinde übergehen." Zudem würde die Finanzbehörde nur im Anlassfall tätig werden. „Es geht hier auch um Steuergerechtigkeit", sagt Willi, der nicht sagen konnte, wie viele Einnahmen der Stadt entgehen. „Für Bauland im Wohngebiet muss meiner Meinung generell Grundsteuer B gezahlt werden, auch wenn dieses landwirtschaftlich genutzt wird." Doch für den Bürgermeister wäre eine entsprechende Angleichung nur ein erster Schritt. „Es braucht darüber hinaus eine Lösung, wo wir uns dem Verkehrswert zumindest annähern."

Die NEOS präsentierten indes gestern in Innsbruck ihren Zehn-Punkte-Plan, wie aus ihrer Sicht der Flächenverbrauch in Österreich drastisch reduziert werden könnt­e. National­ratsabgeordneter Michae­l Bernhard und LA Andreas Leitgeb geben bis 2030 das Ziel aus, die Versiegelung „von derzeit rund zwölf Hektar auf 2,5 Hektar zu reduzieren". Damit seien zwar bereits viele Regierungen gescheitert, wie Bernhard anmerkt, jedoch auch, weil viel von den Gemeinden abhänge — und diese seien zum Großteil, insbesondere in Tirol, ÖVP-dominiert.

Allen voran wollen die NEOS den Gemeinden die Widmungskompetenz nehmen und auf die Länder übertragen. Der Bund solle indes raumordnungspolitisch für das gesamte Bundesland Rahmenbedingungen vorgeben. Für jede Neuwidmung solle künftig die Rückwidmung einer nicht genutzten Fläche erfolgen. Auch die öffentliche Hand habe ihre Grundreserven zu mobilisieren. Unberührte Böden seien zu schützen, Fördersysteme strenger an die länderspezifischen Entwicklungs­strategien zu koppeln. „Wir brauchen einen Kurswechsel, ansonsten werden wir nicht nur im Verkehr, sondern auch im Beton ersticken", so Leitgeb.

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Weil gehortetes Bauland nicht angetastet wird, keimt Kritik an der Widmungs- und Bodennovelle auf. Raum-ordnungslandesrat Hannes Tratter (VP) sieht das anders.

Von Peter Nindler

Innsbruck — Mobilisieren von Bauland gilt irgendwie als Nagelprobe für leistbares Wohnen in Tirol. 3000 Hektar sind noch unbebaut, darauf könnten 200.000 Eigenheim­e errichtet werden. Und noch viel mehr Wohnungen. In dem Montag vorgelegten Gesetzesentwurf werden sie nicht angetastet. Auch die verpflichtende Ausweisung eines Mindestanteils von Vorbehaltsflächen für den sozialen Wohnbau kommt nicht vor. Warum nicht? „Es würde keinen Sinn machen, weil etwa Rattenberg keine Flächen dazu hat", betont ÖVP-Raumordnungslandesrat Johannes Tratter. Doch das sei kein Widerspruch zur Zielsetzung, dass die Gemeinden dazu angehalten seien, Vorrangflächen auszuweisen.

Als politische „Daumenschraube" setzt das Land künftig bei den Raumordnungskonzepten an. „Zu wenige Flächen für den sozialen Wohnbau können schließlich ein Versagungsgrund sein", erläutert Tratter. Das sei gesetzliche Verpflichtung.

Dass die Grundstücksvorsorge nicht ausschließlich für den objektgeförderten Wohnbau zweckgewidmet werden kann, überrascht ebenfalls. Diese Forderung hat vor allem ÖVP-Arbeitnehmer­chefin und Wohnbaulandesrätin Beate Palfrader erhoben. Tratter spricht von einem realistischen Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten. „In den Ballungsräumen wie in Innsbruck lassen sich wegen der Grundkosten kaum objektgefördert­e Wohnungen mehr bauen. Damit es finanzierbar wird, benötigt es einen Anteil von weniger bis gar nicht geförderten Wohnungen." Das dürfe jedoch nur in einem untergeordneten Ausmaß erfolgen, fügt Tratter hinzu.

Die Grundstücksvorräte der gemeinnützigen Bauträger reichen zum Teil nur noch zwei bis drei Jahre aus, in Innsbruck ist die Situation deutlich angespannter.

Offen sind noch die Beschränkunge­n beim Kauf von Immobilien-Grund und Wohnungen. Das Interessentenmodell wird europa­rechtlich noch einmal auf Herz und Nieren geprüft. Wer künftig bebaute wie unbebaut­e Grundstücke kaufen will, muss selbst einen Wohnbedarf nachweisen. Andernfalls greift ein Interessentenmodell, das Wohnungssuchenden, Gemeinden und gemeinnützigen Wohnbauträgern Vorkaufsrecht einräumt. Die Wirtschaft hat massive Vorbehalt­e gegen diese Maßnahme geäußert, der für den Grundverkehr in der Landesregierung zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) erwartet sich hingegen positive Effekte für den Wohnungsmarkt.

„Beim Flächenverbrauch weicht das politische Verhalten in Österreich von der Expertenmeinung ab.“ Michael Bernhard (NEOS-Nationalrat)
© NEOS Tirol
„Es geht hier auch um Steuergerechtigkeit. Das Horten von Bauland darf nicht gratis sein.“ Georg Willi (BM Innsbruck)
© Foto TT / Rudy De Moor

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