Algerien

Algerischer Präsident Bouteflika nach 20 Jahren zurückgetreten

Abdelaziz Bouteflika im Jahr 2009.
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Der Rückzug des algerischen Präsidenten Bouteflika zeichnete sich ab. Jetzt kommt der Rücktritt schneller als erwartet. Wer folgt auf den 82-Jährigen?

Algier – Nach wochenlangen Massenprotesten ist Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der 82-jährige Staatschef habe dem Verfassungsrat mitgeteilt, dass er „am heutigen Tag“ sein Amt niederlege, meldete das Staatsfernsehen am Dienstagabend.

Zuvor hatte auch das Militär massiv auf ein Ende der 20-jährigen Amtszeit Bouteflikas gedrängt. Die Verfassung sieht vor, dass nun der Vorsitzende der Oberhauses des Parlaments vorläufig die Amtsgeschäfte übernimmt.

Auch die staatliche Nachrichtenagentur APS meldete den Rückzug des seit 1999 amtierenden Präsidenten. Dieser habe den Verfassungsrat in einem Schreiben über seine Entscheidung unterrichtet und den Schritt mit Verweis auf die jüngsten Unruhen in Algerien begründet. Mit seinem Rückzug wolle er zur „Befriedung der Herzen und Gemüter“ seiner Landsleute beitragen, schrieb Bouteflika demnach.

Die Proteste halten auch nach der Rücktrittsankündigung Bouteflikas an.
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In der Hauptstadt Algier ertönten nach der Ankündigung Autohupen. Menschen strömten auf die Straße und feierten mit Algerien-Fahnen den Rücktritt des zuletzt stark in die Defensive geratenen Präsidenten.

Zuvor hatte Armeechef und Vize-Verteidigungsminister Ahmed Gaid Salah einen „unverzüglichen“ Beginn des in der Verfassung vorgesehenen Amtsenthebungsverfahrens gegen Bouteflika gefordert. Salah war lange Jahr ein enger Verbündeter des Staatschefs.

Seit 1999 im Amt

Der seit 20 Jahren amtierende Präsident hatte nach heftigen Protesten im März auf eine Kandidatur für ein fünftes Mandat verzichtet, die Wahl zugleich aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach anhaltendem Druck kündigte sein Büro am Montag an, Bouteflika werde noch vor dem Ende seiner regulären Amtszeit am 28. April zurücktreten. Armeechef Salah erklärte jedoch, das Militär halte die Ankündigung für ungültig, da sie nicht vom Präsidenten persönlich stamme.

Die algerische Verfassung sieht vor, dass nach dem Rücktritt eines Präsidenten zunächst der Vorsitzende der oberen Parlamentskammer, der 77-jährige Abdelkader Bensalah, als Interims-Staatschef die Amtsgeschäfte weiterführt. Innerhalb von 90 Tagen muss dann eine Neuwahl ausgerichtet werden.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte, er setze auf einen „demokratischen Übergang“ in Algerien. Frankreich ist die einstige Kolonialmacht des Maghreb-Staats. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums sagte, es sei Sache der Algerier, „wie sie den Übergang gestalten“.

Der 82-jährige Bouteflika ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Seit einem Schlaganfall im Jahr 2013 hat er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Kritiker gehen davon aus, dass er im Machtapparat nicht mehr die Fäden in der Hand hält. (APA/AFP)

Algerien seit der Unabhängigkeit: Chronologie

5. Juli 1962 - Die Unabhängigkeit Algeriens nach 132 Jahren französischer Kolonisierung wird ausgerufen. Dies erfolgt im Anschluss an einen acht Jahre dauernden blutigen Unabhängigkeitskrieg (1954-62).

Sept. 1963

- Ahmed Ben Balla, Generalsekretär der sozialistisch geprägten Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN), wird zum ersten Staatspräsidenten gewählt.

19. Juni 1965

- Ben Bella wird in einem Staatsstreich durch Verteidigungsminister Houari Boumediene gestürzt.

Dez. 1976

- Boumediene wird zum Staatspräsidenten gewählt.

Feb. 1979

- Nach dem Tod Boumedienes 1978 wird Chadli Bendjedid sein Nachfolger.

Feb. 1989

- Eine neue Verfassung tritt in Kraft, die die Einparteienherrschaft der FLN beendet.

Dez. 1991 -

Bei den ersten freien Parlamentswahlen steht die islamistische Islamische Heilsfront (FIS) nach dem ersten Wahlgang vor einem Erdrutschsieg. Säkulare Kräfte sind alarmiert und protestieren gegen eine kommende „islamische Diktatur“.

Jän. 1992

- Um einen Wahlsieg der FIS zu verhindern, übernimmt das Militär die Macht. Präsident Bendjedid wird abgesetzt, der Urnengang abgebrochen und die FIS verboten.

1992-2002

- Der daraufhin ausbrechende zehnjährige Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Staatsführung fordert nach offiziellen Angaben bis zu 200.000 Tote.

April 1999

- Ex-Außenminister Abdelaziz Bouteflika wird zum Präsidenten gewählt. Ihm gelingt eine Beendigung des Bürgerkrieges.

Nov. 2008

- Eine Verfassungsänderung macht weitere Amtszeiten für Bouteflika möglich.

2011

- Demonstrationen am Rande des Arabischen Frühlings führen - anders als im Nachbarland Tunesien - nicht zu einem Sturz des algerischen Regimes.

2013

- Bouteflika erleidet einen schweren Schlaganfall. Trotzdem lässt er sich 2014 für ein viertes Mandat wiederwählen.

Feb. 2019

- Der schwer kranke 82-jährige Bouteflika gibt seine Kandidatur für ein fünftes Mandat bekannt. Daraufhin fordern Massenproteste seinen Rücktritt. Auch Generalstabschef Ahmed Gaid Salah verlangt eine Absetzung oder einen Rücktritt des Präsidenten.

11. März

- Bouteflika kündigt seinen Verzicht auf eine fünfte Amtszeit an, verschiebt aber gleichzeitig die für 18. April geplante Präsidentenwahl auf unbestimmte Zeit. Die Proteste gehen aber weiter.

1. April

- Das Präsidentenamt gibt bekannt, dass Bouteflika vor Ablauf seines Mandats (28. April) zurücktreten wird.

2. April

- Bouteflika tritt mit sofortiger Wirkung zurück.

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