Poesie, Philosophie und Politik: Autor Robert Schindel wird 75
Wien (APA) - Seine Gedichte verbinden seit Jahrzehnten beharrlich Poesie und Politik, sein erfolgreicher Roman „Gebürtig“ wurde verfilmt, er...
Wien (APA) - Seine Gedichte verbinden seit Jahrzehnten beharrlich Poesie und Politik, sein erfolgreicher Roman „Gebürtig“ wurde verfilmt, er selbst ist aus dem intellektuellen Leben Österreichs seit langem nicht wegzudenken. Morgen, Donnerstag (4. April), feiert der Schriftsteller Robert Schindel seinen 75. Geburtstag.
Schindel wurde 1944 in Bad Hall (Oberösterreich) geboren - „als Wechselbalg rassisch minderwertiger Eltern / Welche sich als Fremdarbeiter aus Elsass ausgaben“, wie er in seinem Gedicht „Erinnerungen an Prometheus“ schreibt. Unter dem falschen Namen Robert Soel überlebte der Sohn jüdischer Kommunisten und Widerstandskämpfer als vorgebliches Kind von Asozialen in einem Heim der NS-Volkswohlfahrt. Sein Vater wurde in Dachau hingerichtet, seine Mutter überlebte Auschwitz und Ravensbrück und kehrte nach Wien zurück. Nach einer Buchhandelslehre und der Externistenmatura begann er ein Philosophiestudium.
Ab 1967 war Schindel maßgeblich in der Wiener Studenten- und Kommunenbewegung tätig. 1970 erschien in der von ihm mitgegründeten Zeitschrift „Hundsblume“ sein erster Roman „Kassandra“. Er arbeitete u.a. als Bibliothekar bei der Gemeinde Wien, als Nachtredakteur bei AFP, als Regieassistent und Dramaturg und als Schauspieler bei Fernsehfilmen. Zwischen 1979 und 1983 arbeitete er an verschiedenen Drehbüchern mit, die von Lukas Stepanik verfilmt wurden.
Seit 1985 arbeitet er als freischaffender Schriftsteller. 1986 erschien sein erster Gedichtband „Ohneland“. Es folgten zahlreiche weitere wie „Geier sind pünktliche Tiere“ (1987), „Im Herzen die Krätze“ (1988), „Mein mausklickendes Saeculum“ (2008) oder „Scharlachnatter“ (2015). Ein Zyklus „Die Weltgeschichte des jüdischen Volkes in Gedichten“ soll sein dichterisches Werk abrunden.
Als Schindel 2014 mit dem Heinrich-Mann-Preis für Essayistik geehrt wurde, hieß es in der Begründung: „Ihm gelingt, was nur große Literatur vermag: dass wir Zeitgenossen uns begreifen und Spätere uns verstehen.“ Die Jury rühmte sein „formal reiches, vielgestaltiges Werk - Gedichte, Romane, Stücke, Libretti und Essays“, aus dem er „ein großes Orchester von Stimmen und Stimmungen, Idiosynkrasien und Traumata, Glücksmomenten und Sehnsüchten, Vergessenem und Schwelendem“ entwickelt habe.
Als Erzähler gelangte Schindel zu breiter Popularität. Sein Roman „Gebürtig“ (1992), ein literarisches Vexierspiel zwischen NS-Vergangenheit und Gegenwart der Waldheim-Zeit, wurde 2001/02 von Schindel und Lukas Stepanik verfilmt. 2013 folgte „Der Kalte“. Der Abschluss-Band der geplanten Trilogie „Die Vorläufigen“ befindet sich noch immer „im fortgeschrittenen Anfangsstadium“, sagt der Autor im APA-Interview. Arbeitstitel: „Genia oder Die lichte Zukunft“. Die Hauptfigur ist seiner verstorbenen Mutter nachgebildet. „Es ist die Geschichte einer Kommunistin im 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, die alle Irrtümer und Dummheiten der Kommunisten mitgemacht hat. Ich möchte am Beispiel dieser Figur die Hoffnungen, Verwerfungen, Utopien, aber auch die Gedankenverbrechen dieser Generation darstellen.“
1998 bis 2002 war Schindel Jurymitglied des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preises, 2009 bis 2012 der erste Leiter des Instituts für Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Schindel hat auch ein Libretto geschrieben, die Oper „Don Juan wird 60“ des Komponisten Dirk d‘Ase, eigentlich ein Auftrag zum Mozartjahr, wurde bisher noch nie aufgeführt. Sein ursprünglich im Auftrag des Volkstheaters geschriebenes Stück „Dunkelstein“ wurde 2016 im Wiener Theater Nestroyhof Hamakom uraufgeführt.
(S E R V I C E - http://www.schindel.at)