Botschafter mahnen zu Rechtsstaatlichkeit - Aufruhr in Rumänien
Bukarest/Wien (APA) - Ein Schreiben der Botschaften von zwölf mit Rumänien befreundeten Ländern, in dem sie ihre Besorgnis über die Rechtsst...
Bukarest/Wien (APA) - Ein Schreiben der Botschaften von zwölf mit Rumänien befreundeten Ländern, in dem sie ihre Besorgnis über die Rechtsstaatlichkeit in dem derzeitigen EU-Vorsitzland kundtun, sorgt für Aufruhr bei den in Bukarest Regierenden. Das Schreiben war am gestrigen Mittwoch auf Facebook publik gemacht worden. Auch Österreich hat laut einer Meldung der Agentur Agerpres unterzeichnet.
Ministerpräsidentin Viorica Dancila konterte: In keinem Land der Welt würden Botschafter die Tagesordnung des Regierungschefs bestimmen. Am Donnerstag schlug auch die Sozialdemokratische Partei (PSD), die die Regierung anführt, gegen das Vorgehen der Verbündeten aus: Die offizielle Kommunikation von Botschaften habe mit dem Außenministerium zu erfolgen, geriet die PSD über die Veröffentlichung in Rage.
Das Dokument der zwölf Länder (alle EU- und/oder NATO-Partner), das auch auf der Facebook-Seiten der österreichischen Botschaft in Rumänien veröffentlicht wurde, enthält auch einen Aufruf an alle Institutionen und Personen, die an der Ausarbeitung von Notstandsverordnungen der Regierung, welche Gesetze, den Justizbereich betreffend, ändern. Sie sollten „Änderungen verhindern, die die Rechtsstaatlichkeit und die Fähigkeit, gegen Korruption vorzugehen, schwächen.“ Dem angeschlossen haben sich neben Deutschland, Frankreich und Österreich: die USA, Kanada, Belgien, Dänemark, Finnland, Irland, Norwegen, die Niederlande und Schweden.
Die zwölf beklagen zugleich, dass offizielle Bitten um einen Dialog zum Thema Rechtsstaatlichkeit seit Jänner unbeantwortet geblieben seien. „Wir sind tief besorgt über die Integrität des rumänischen Justizsystems, das unvorhergesehenen Änderungen ausgesetzt wurde, die Rumäniens Bemühungen, Fortschritte in der Gerichtsbarkeit zu machen, nicht förderlich sind. Im Gegenteil, der kumulative Effekt dieser Änderungen, trägt das Risiko in sich, den Kampf gegen Korruption zu verlangsamen und die richterliche Unabhängigkeit zu untergraben. Wir erwarten uns, dass der Reformprozess auf einem Prozess basiert, der alle im System in Form breiter Konsultationen einschließt.“ Ein solcher Weg wäre zum Wohl aller Rumänen.
Zudem müssten die involvierten rumänischen Stellen die Meinung heimischer und internationaler Expertengremien - darunter die Venedig Kommission des Europarates, das EU-Parlament, die EU-Kommission und der Europäische Rat - nochmals überdenken und deren Unterstützungsangebote, „um nicht die bedeutenden Fortschritte, die Rumänien in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Justizbereich gemacht hat, zu beschädigen“, warnten die zwölf. Die Eilverordnungen, die diskutiert würden, hätten jedenfalls „das Potenzial, die Unabhängigkeit der rumänischen Justiz zu beeinträchtigen“, und damit auch das Vertrauen der Rumänen und der Partnerstaaten in die rumänische Justiz und die rumänische Regierung. Die zwölf Staaten befürchten zudem die Verletzung gemeinsamer Werte sowie negative Auswirkungen auf die rumänische Wirtschaft. Dabei komme der rumänischen Regierung als EU-Ratsvorsitz eine besondere Verantwortung zu.
Ministerpräsidentin Dancila schmetterte die Warnungen und Bitten noch am Mittwoch ab. Sie forderte „Respekt für Rumänien“. Sie habe die Botschafter der zwölf Partnerländer zu Einzelgesprächen gebeten, dies hätten die Auslandsvertreter aber abgelehnt, beklagte sie. Sie werde nicht zulassen, dass Botschafter ihr die Tagesordnung vorgäben. Am Donnerstag sprang ihr die Partei bei. Das Vorgehen der Botschafter verletzte das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und sei „unhöflich“ gegenüber einer Regierung, die eine legitime Mehrheit im Parlament habe, ereiferte sich die PSD. Inhaltlich äußerten sich sowohl Dancila als auch die PSD zu den Vorwürfen nicht.
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit den Druck auf Rumänien - und auch Polen - erhöht. Eingriffe in die Justiz des Landes hatten der sozialdemokratischen Regierung in Bukarest zuletzt heftige Kritik eingebracht. Dancila begründete die Gesetze und Notverordnungen damit, „Amtsmissbrauch“ von Richtern vorzubeugen, denen sie vorwirft, einen „Parallelstaat“ aufbauen zu wollen. Die Opposition beklagt, dass es der Regierung vor allem darum gehe, die Strafregister einer ganzen Reihe von Amtsträgern zu bereinigen. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sprach eine scharfe und womöglich letzte Warnung vor Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens aus. Wenn „de facto“ in Rumänien eine Straffreiheit für hochrangige Politiker geschaffen werde, die wegen Korruption verurteilt wurden, werde die Kommission „hart“, „sofort“ und mit „allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln“ reagieren, sagte Timmermans, der europaweiter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der EU-Wahl im Mai und damit ein Parteifreund Dancilas.
PSD-Chef Liviu Dragnea gilt hinter ihr als „starker Mann“ in Rumänien. Er wurde bereits mehrfach verurteilt und könnte von der umstrittenen Reform profitieren. Obwohl seine Partei 2016 die Parlamentswahl gewonnen hatte, konnte er wegen seines Strafregisters nicht selbst Regierungschef werden. Die Aufweichung der Anti-Korruptions-Gesetze hatte in Rumänien die Massen zu Protesten auf die Straßen getrieben. Dabei unterliegt Rumänien - und auch Bulgarien - wegen Defiziten in der Justiz seit dem EU-Beitritt 2007 weiterhin einem speziellen Beobachtungsprozess.
Für Querelen zwischen Bukarest und Brüssel sorgt derzeit auch die Kandidatur der rumänischen Juristin Laura Kövesi für den Chefposten der geplanten EU-Staatsanwaltschaft. Dancilas Regierung behindert die Kandidatur. Kövesi war von 2013 bis Juli 2018 Chefin der Antikorruptionseinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft (DNA). Sie wurde auf Betreiben der sozialliberalen Regierung vorzeitig entlassen. Eine regierungstreue Spezialeinheit ermittelt nun wegen Korruptionsvorwürfen gegen Kövesi. Sie wurde wegen Korruption, Amtsmissbrauch und Falschaussage angeklagt. Derzeit verhandeln EU-Parlament und der Europäische Rat über die Besetzung des Chefpostens für die EU-Staatsanwaltschaft, die ab 2020 arbeiten soll. Das EU-Parlament favorisiert Kövesi, während der EU-Rat den französischen Juristen Francois Bohnert unterstützt. Rumäniens oberstes Gericht hob am Mittwoch die Reise- und sonstigen Freiheitsbeschränkungen für Kövesi auf. „Mein Einspruch wurde anerkannt. Ich kann Rumänien jetzt verlassen“, um ihre Bewerbung in Brüssel voranzutreiben, kommentierte Kövesi die Gerichtsentscheidung.
Calin Popescu-Tariceanu, Ex-Premier und Senatspräsident von den mitregierenden Nationalliberalen (PNL), tat die jüngste Kritik aus Brüssel als Teil des EU-Wahlkampfs ab. Er sprach von „Exzessen“ der rumänischen Justiz in früheren Jahren“ und „Doppelmoral“, die angewendet werde. Die EU-Vertreter könnten jedenfalls in keinem einzigen konkreten Element darlegen, „was die Regierung falsch gemacht hat“. Bezüglich Erlässen gab sich der Politiker ahnungslos. „Sie reden von irgendwelchen Absichten, Erlässe zu billigen, die bestimmte Konsequenzen hätten. Ich habe keine Entwürfe für Erlässe gesehen.“