„Wien entdecken mit der Bim“ - „Reiseführer“ für 172 Tramwaykilometer
Wien (APA) - Wozu in die Ferne schweifen, liegt das Gute (oder zumindest das Interessante) doch so nah. Das mögen sich die beiden Autoren Be...
Wien (APA) - Wozu in die Ferne schweifen, liegt das Gute (oder zumindest das Interessante) doch so nah. Das mögen sich die beiden Autoren Beppo Beyerl und Thomas Hofmann gedacht haben, als sie ihr jüngstes Buch auf Schiene brachten: „Wien entdecken mit der Bim“ heißt ein ebenso informativer wie unterhaltsamer „Stadtführer“, der sich die wichtigsten Straßenbahnlinien der Bundeshauptstadt entlangtastet.
Schon die Kapitelauswahl zeigt, dass die einzelnen Linien auch die Diversität der Bundeshauptstadt widerspiegeln, von der Urbanität im Inneren zur Naturverbundenheit an der Peripherie. „Vom Gürtel zu den Zieseln auf der Heide“, heißt etwa jener Abschnitt des Buches, der über die Linie 60 (vom Westbahnhof nach Rodaun) erzählt. Der „44er“ wiederum fährt „Entlang der Balkanmeile“ vom „Jonasreindl“ bei der Universität bis nach Ottakring, der „33er“ von der „bürgerlichen Josefstadt ins Rote Wien“ (Friedrich-Engels-Platz“), der „D-Wagen“ vom „Hauptbahnhof zum Heurigen“ (in Nußdorf).
Womit indirekt bereits eine Besonderheit angesprochen ist: „Die Wiener Tramwaylinien haben entweder eine Nummernbezeichnung oder eine Buchstabenbezeichnung“, schreiben die beiden Wien-Kenner Beyerl und Hofmann. Das Besondere dabei: „Bei Nummernbezeichnungen sagt man nur als Mitglied der Hautevolee in Wien gespreizt: ‚Ich fahr mit der Linie 71‘“ Der echte Wiener sagt üblicherweise „I fahr mit‘n 71er“. Das Wort ‚Linie‘ muss wegbleiben.“ Haben aber Tramwaylinien aber Buchstabenbezeichnungen, dann ist alles ganz anders. Dann kommt für den gelernten Wiener nämlich unbedingt das Wort „Wagen“ dazu. „Also man fährt mit dem D-Wagen oder dem O-Wagen und nicht mit dem D-er oder der D-Linie oder dem O-er oder der O-Linie.“
Auch sonst bietet das Buch auf 176 Seiten durchaus vielfältiges Hintergrundwissen: „Wien hat mit einer Gesamtlänge von 172 Kilometern das sechstgrößte Straßennetz der Welt. Weiter kann man nur fahren: in Melbourne, in Sankt Petersburg, in Sofia, in Berlin und in Moskau. Doch diese Städte sind - mit Ausnahme von Sofia - um einiges größer als die Bundeshauptstadt.“ Auch Historisches kommt nicht zu kurz: „Die erste Pferdebahn in Wien fuhr - oder trabte - am 4. Oktober 1865 vom Schottenring über die Alser Straße nach Dornbach hinaus - sie entsprach also der Trasse des heutigen 43ers. Nach und nach kamen weitere Linien dazu, wobei dem ungezügelten Kapitalismus freien Lauf gelassen wurde. Die Tramwaycompanien kooperierten nicht miteinander, es gab keine Tickets, mit denen man von der Linie einer Gesellschaft zu einer anderen wechseln konnte.“
Womit auch angesprochen wird, dass die Wiener Straßenbahn schon verschiedene Bezeichnungen kannte. Mit der „Tramway“ oder der „Elektrischen“ fuhren die Altvorderen, die saloppe Bezeichnung „die Bim“ bürgerte sich erst später ein. Doch woher kommt der Ausdruck eigentlich? Für die Autoren ist es ebenso einfach wie sonnenklar: „Vom ‚Bim-Ton‘ oder den ‚Bimmeltönen‘, die der Fahrer bei Gefahr einer Kollision mit dem Pedal auslöste.“
Das Buch ist auch eine Einladung zu einer Erkundungsreise: Wie bei einer Hop-on-Hop-Off-Tour im Touristenbus setze man sich in eine Straßenbahn und benutze das Buch als Guide. Wer dann mit dem „60er“ bei der Lainzer Straße 39 an einem Biedermeierhäuschen vorbeifährt, kann dann nachlesen, dass dieses ab 1849 dem Fürsten Milos Obrenovic von Serbien gehörte, der bei seinen Soireen auch damalige Societylöwen wie den Walzerkönig Johann Strauß Sohn empfing. Ein Wegstück weiter sieht der Fahrgast dann am Kardinal-König-Platz in Lainz eine Nepomuk-Statue. Ein Beweis, „dass sich hier dereinst eine Brücke befand - der Lainzerbach fließt mittlerweile unterirdisch in Richtung Wienfluss.“
Das ist aber nur ein exemplarisches, wahllos herausgegriffenes Beispiel unter vielen. Ähnliche Geschichten wissen Beyerl und Hofmann auch an allen anderen Enden von Wien zu erzählen. Somit bietet sich an, eine Fahrt mit einer vertrauten „Bim“ einmal mit neuen Augen zu sehen oder die Jungfernfahrt mit einer noch nie benützten Linie anzutreten und so seinen (Wiener) Horizont gleich deutlich zu erweitern.
(S E R V I C E - Beppo Beyerl/Thomas Hofmann: Wien entdecken mit der Bim. Styria Verlag, Graz 2019. 176 Seiten; 21,00 Euro. ISBN 978-3-222-13623-8)