Nachhaltigkeit „rentiert“ sich für Firmen nicht automatisch
Paris/Wien (APA) - Umweltschutz ist in aller Munde, keine Branche kommt am Thema Nachhaltigkeit vorbei. Immer mehr Unternehmen engagieren si...
Paris/Wien (APA) - Umweltschutz ist in aller Munde, keine Branche kommt am Thema Nachhaltigkeit vorbei. Immer mehr Unternehmen engagieren sich für eine Ökologisierung ihrer Fertigungsanlagen, Rohstoffe und Produkte. Aber rentiert sich das auch - nicht „nur“ für die Umwelt, sondern für die Firmen? Nicht automatisch, und es ist ein langsamer Prozess, war auf der „L‘Oreal Nachhaltigkeitskonferenz“ in Wien zu hören.
„Wir versuchen, Nachhaltigkeit wünschenswert und ‚cool‘ zu machen, sehen aber, dass uns die Konsumenten nicht so schnell folgen“, sagte Alexandra Palt, Chefin über die Agenden Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit des Kosmetikriesen, bei dem Event, dem ersten seiner Art in Österreich, in der französischen Botschaft. L‘Oreal versuche sich der Herausforderung seit Anfang der 1990-Jahre zu stellen. Zunächst habe sich der Fokus auf die Reduktion der Umweltbelastung bei der Herstellung gerichtet, es ging schon damals um weniger Abfall, Wasserverbrauch und später auch CO2. So seien die industriellen CO2-Emissionen seit 2005 um 77 Prozent gesenkt worden, bei steigenden Produktzahlen. Bis 2025 soll die Fertigung CO2-neutral sein.
Als nächstes habe man sich den Erzeugnissen zugewandt, den „Fußabdruck“ der Cremes, Shampoos etc. unter die Lupe genommen, bis hin zur biologischen Abbaubarkeit der Inhaltsstoffe. 2013 wurde das Programm „Sharing Beauty With All“ gelauncht, das konkrete Öko-Ziele vorgibt. „Vieles wird erreicht, manches nicht wegen technologischer Hürden“, sagte Palt. „Aber diese Vision hat die Art, wie wir alle unseren Job machen, verändert.“
Neben der wirtschaftlichen und kosmetischen „Performance“ eines Produkts stehe nunmehr gleichberechtigt dessen Ökologie. Möglich sei dies nicht zuletzt wegen der Unternehmensstruktur des Konzerns, der in mehr als 110-jährigem Bestehen von gerade einmal vier Generaldirektoren gelenkt wurde. Bei so viel Kontinuität könne mit langfristigen Strategien gearbeitet werden. Hilfreich sei auch, meinte Palt, dass zehn Prozent der Boni der Marken- und Länderchefs bezüglich ihres Nachhaltigkeitsmanagements evaluiert würden.
Zertifiziert biologische Rohstoffe kämen zwar vermehrt zu Einsatz. Eine große Rolle werden sie für den Branchenriesen weiter nicht spielen: „Es sind zu wenig solcher Inhaltsstoffe erhältlich“, sagte Laurent Gilbert, zuständig für nachhaltige Innovationen. 2020 sollen alle der neu oder in einem Relaunch überarbeitet auf den Markt kommenden Kosmetika von L‘Oreal firmeninternen Kriterien für eine verbesserte Öko-Bilanz genügen. Bei sieben bis acht Milliarden Produkteinheiten jährlich „hat das Auswirkungen“, so Palt. Ein Beispiel sei ein Shampoo mit biologisch abbaubarer Formel, das besser stapelbar - das spart Platz im Lieferwagen und damit CO2 -, wiederbefüllbar und zudem so ansprechend aufgemacht ist, dass auf Werbemittel verzichtet werden könne.
Noch seien nicht alle Produkte so gut durchdacht, gab Palt zu. Zudem seien die wiederbefüllbaren Kosmetika für L‘Oreal „noch kein finanzieller Erfolg“. Die Konsumenten „sind noch nicht so weit“. Im Geschäft werde das häufig beschworene Öko-Gewissen dann doch vergessen. Reduzierte Verpackungen - weniger schwer, weniger „Gold“ - wirken auf viele auch weniger wertig und „ziehen weniger an“, weiß die Expertin aus Verkaufsstatistiken. Vor allem in Asien sei das ein Problem, aber nicht nur dort. Recyceltes Plastik wiederum - bis 2025 soll die Hälfte aller neuen Kunststoffverpackungen des Konzerns daraus bestehen - erzeuge unbegründete „Angst vor Verschmutzung“. „Unser Endziel ist trotzdem, ganz aus ‚neuem‘ Plastik herauszukommen“, versicherte Palt.
Weitere Maßnahmen gegen Plastikmüll seien Nachfüllkapseln für Cremen in Tiegeln und die Wiederbefüllung von Flaschen im Geschäft, etwa für Shampoos. Hier muss die Problematik der Mikrobiologie mitbedacht werden. „Wir sind ja auch verantwortlich für die Sicherheit des Produkts.“
Wer Nachhaltigkeit zu Ende denkt, kann da nicht Halt machen: 80 Prozent der ökologischen Auswirkungen eines Shampoos hängen laut Palt direkt mit der Verwendung im Bad zusammen, nämlich mit dem „Laufenlassen von heißem Wasser“. Eine Frage, mit der sich die Produktentwicklung daher auch ernsthaft herumschlage, laute: „Wie bringen wir Sie dazu, beim Haarewaschen weniger Wasser zu verbrauchen?“
„Das schwierigste ist: Wir alle sind nicht schnell genug“, sagte Palt, „bei der Veränderung unseres Lebensstils, unseres Konsumverhaltens, unserer Bequemlichkeit.“
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