„The Artist & The Pervert“: Georg Friedrich Haas hautnah

Wien (APA) - Georg Friedrich Haas ist Österreichs erfolgreichster Komponist und bekanntester Sadomasochist. 2016 gingen er und seine Gattin ...

Wien (APA) - Georg Friedrich Haas ist Österreichs erfolgreichster Komponist und bekanntester Sadomasochist. 2016 gingen er und seine Gattin Mollena Williams-Haas in der „New York Times“ mit ihrer Neigung an die Öffentlichkeit. „The Artist & The Pervert“ zeichnet nun ein humorvolles Porträt der beiden. Mit der Österreichpremiere des Dokumentarfilms wurde am Donnerstag das 2. Wiener Porn Film Festival eröffnet.

Das Porn Film Festival will mit seinem aufmerksamkeitsheischenden Titel letztlich ein geschützter Raum für Diskussionen sein. Ziel bei der bis 8. April laufenden Ausgabe ist, Körper und Sexualitäten in den Vordergrund zu rücken, die im Mainstreamporno keinen Platz haben - und da zählen die Williams-Haas zweifelsohne dazu.

Doch um es gleich vorweg zu sagen: „Die meisten sind überrascht, dass der Film relativ wenig Sex zeigt“, konstatierte Co-Regisseurin Beatrice Behn am Rande der Premiere. Genaugenommen zeigt „The Artist & The Pervert“ eigentlich kaum Sex im herkömmlichen Sinne. Das liegt auch am Regieduo (neben Behn noch Rene Gebhardt). Das eine Mal, als es während der Dreharbeiten dazu kam, hatten die beiden bereits die gesamte Ausrüstung verstaut und waren zu Bett gegangen - zum Aufstehen war es dann zu spät. „Wir haben es verkackt“, so Behn.

Das kann man so sehen. Muss man aber auch nicht. Schließlich wird dadurch der Blick vielleicht freier auf die Beziehung eines Paares in all ihrer Ambiguität. Am Beginn blickt die nackte Mollena Williams-Haas in die Kamera, während hinter ihr der nackte Georg Friedrich Haas auf Schnüren, die wie Notenlinien gespannt sind, Dildos und Schlagwerkzeuge aufhängt.

Und doch ist „The Artist & The Pervert“ zunächst eine beinahe konventionelle Dokumentararbeit über einen der meistgespielten lebenden Tonsetzer. Von der Eröffnung der Elbphilharmonie schweift der Bogen zu Wissenschaftern respektive Künstlern wie Simon Rattle, die über den Komponisten Haas sprechen.

Später begleiten die Filmemacher das Paar nach Schwetzingen zu den Uraufführungsproben von „Koma“ (derzeit am Klagenfurter Stadttheater zu sehen) und zur Ausgabe von Wien Modern 2016, wo das gemeinsame Werk der beiden, „Hyena“, Premiere feiert, in dem Mollena ihre Alkoholsucht literarisch verarbeitet. Ein beeindruckender Moment indes ist das Gespräch mit der greisen Haas-Mutter, hatte der Künstler seine Herkunft aus einer nationalsozialistischen Familie doch 2016 publik gemacht. Und nach dem ersten netten Eindruck faselt die betagte Dame dann doch über die Reinhaltung der Rasse.

Was „The Artist & The Pervert“ über die üblichen Talking-Heads-Formate hinaushebt ist jedoch der Schlüssellochblick, der sich zugleich nie als solcher anfühlt, gewährt das porträtierte Paar doch bereitwillig Einblick in sein Leben. So kommt Haas nackt und nass aus der Dusche gerannt, um einen Einfall am Computer niederzuschreiben, während Mollina ihm die Sachen rauslegt.

Und hiermit wäre auch bereits ein Kern der BDSM-Beziehung des Ehepaares Williams-Haas umschrieben, bei der es - zumindest vordergründig - weniger um sexuelle Gewalt als eine gewisse Unterwürfigkeit geht. Ein ungleiches Kräftespiel, wie sie es die toughe, charmante, charismatische Mollina beschreibt. Sie ist erfüllt davon, sich um sein Leben zu kümmern - eine Frau, wie er sie 40 Jahre lang gesucht hat. Er kann sich auf das Komponieren konzentrieren, sie schupft den Haushalt und bekommt hie und da ein bisschen den Hintern versohlt.

Alles in allem leben hier ein 65-Jähriger und eine 49-Jährige ein tradiertes Beziehungskonzept aus der guten, alten, patriarchalen Zeit, das heute nur mehr selten anzutreffen ist, bei Oma und Opa aber noch gang und gäbe war. „Ihre Ehe wirkt wie eine aus den 1950ern“, konstatiert auch Regisseurin Behn.

Letztlich zeigt „The Artist & The Pervert“ ein nettes, dickliches, älteres Paar, das liebevoll miteinander umgeht und fast ein bisschen spießig ist. Bisweilen schießen einem Assoziationen von der Betreuung eines älteren Herrn ein. Und streckenweise beschleicht einen der Verdacht, dass hier ein mittlerweile desavouiertes, konservatives Beziehungsmodell mit dem coolen BDSM-Label aufgehübscht wird. Aber da ist ja noch der Vertrag....

So erzählt Williams-Haas in einem Bühnenprogramm, dass Haas ihr bereits beim zweiten Date einen Meister/Sklaven-Vertrag vorgelegt hat, der unter anderem beinhaltet, dass er sie sexuell anderen Männern zur Verfügung stellen kann respektive diese selbst besteigt. Zur Sprache kommt dies nicht mehr, aber man muss ja auch nicht alles wissen.

Am Ende bleibt der klare Eindruck, dass das Leben und der Mensch vielschichtig sind. „The Artist & The Pervert“ gibt keine eindeutigen Antworten, weil das Leben keine eindeutigen Antworten gibt, sondern oftmals aus Ambivalenzen besteht. Stattdessen entsteht das Bild eines Menschen, dem das private Glück letztlich wichtiger als die Karriere geworden ist.

(S E R V I C E - „The Artist & The Pervert“ läuft am 30. Mai in den heimischen Kinos an. http://artistandpervert.com/)