SPE-Spitzenkandidat Timmermans droht Rumäniens Sozialdemokraten

Brüssel (APA) - Der Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) für die EU-Wahl und für die Rechststaatlichkeit zuständige Kommi...

Brüssel (APA) - Der Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) für die EU-Wahl und für die Rechststaatlichkeit zuständige Kommissionsvize, Frans Timmermans, droht Rumäniens regierenden Sozialdemokraten mit Konsequenzen. Er habe „überhaupt keinen Zweifel“, dass die europäischen Sozialdemokraten aktiv werden. „Anders als die EVP werden wir dafür keine zehn Jahre brauchen“, sagte Timmermans der APA.

Timmermans kommt am heutigen Freitag in Vorbereitung der EU-Wahl zur SPÖ nach Wien. Der frühere niederländische Außenminister betonte, dass die von den rumänischen Behörden unter staatliche Kontrolle gestellte Korruptionsjägerin Laura Kövesi als Kandidatin für die Leitung der Europäischen Staatsanwaltschaft von einer Mehrheit des Europäischen Parlaments unterstützt werde. Timmermans hält die Vorgänge in Rumänien für bedenklich. „Wir haben in Madrid schon mit (PSD-Chef Liviu) Dragnea persönlich gesprochen, (SPE-Chef Sergej) Stanischew, (Fraktionschef Udo) Bullmann und ich, und wir haben Klartext mit ihm geredet: Ich habe ihn gefragt: Willst du noch Mitglied dieser Partei sein? Dann musst du auch die Spielregeln einhalten. Für uns gibt es Grenzen. Eine Partei, die sich nicht an Rechtsstaatlichkeit und Respekt für Grundrechte hält, gehört nicht zur Familie.“

„Mein Ziel ist, Präsident der Europäischen Kommission zu werden“, betonte Timmermans. „Und dazu brauche ich eine Mehrheit im Europäischen Parlament. Das versuche ich, über progressive Parteien und mit einem positiven Programm zu erreichen.“ Dass eine Allianz rechter Parteien bei der EU-Wahl die Sozialdemokraten auf den dritten Platz verweisen könnte, glaubt der SPE-Spitzenkandidat nicht. „Ich weiß: viele Wählerinnen und Wähler sind enttäuscht, und sie suchen dann eine Alternative. Die Nationalisten sind sehr gut im Abbrechen, im Attackieren, Sündenböcke finden, das können die wunderbar. Aber können die auch etwas schaffen? Das ist die große Frage. Wenn es denen gelingt, etwas positives für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, dann haben die auch das Recht, dass sie die Wahlen gewinnen. Aber bisher habe ich davon noch nicht viel gesehen.“

Timmermans rechnet zwar damit, dass „die zulegen auf der rechten Seite. Aber die sind sich nur in einem einig: dass sie die Europäische Union zerstören wollen. Bei allen anderen Fragen sind sie sich uneinig. Man sieht es doch: (Lega-Chef Matteo) Salvini und (PiS-Chef Jaroslaw) Kaczynski sind dicke Freunde. Aber wenn es um Russland oder um die Flüchtlingspolitik geht, gibt es überhaupt keine Übereinstimmung zwischen den beiden.“

Der SPE-Spitzenkandidat wiederholte auch seine Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der FPÖ. „Diese Aufstellung der Bundesregierung beim Migration Compact ist doch völlig unvertretbar. Das kann man doch nur verstehen als ‚da muss ich diesen FPÖlern etwas geben‘. Man hat völligen Blödsinn über diesen Compact behauptet. Ich kenne Sebastian Kurz gut. Wir waren zusammen Außenminister. Der ist wirklich sehr klug, hochintelligent. Der weiß doch genau, was da drinnen steht. Aber dann frage ich: wer kontrolliert denn wen hier? Das hat natürlich Konsequenzen in ganz Europa. Wenn man die EU-Präsidentschaft hat, hat man auch eine größere Verantwortung als nur für Koalitionspolitik.“

Für die österreichische Bundesregierung „geht es nicht nur um die Frage, ob man sich zu Europa bekennt in einer Regierungserklärung. Es geht auch darum, welches Bild des Menschen man hat und was das bedeutet für innergesellschaftliche Verhältnisse in einem Land“, sagte Timmermans.

Timmermans will die EU weiter stärken. „Mein wichtiges Anliegen, ist zu zeigen, dass wir mehr soziale Gerechtigkeit, mehr ehrliche Steuerzahlung, mehr internationale Zusammenarbeit, mehr Nachhaltigkeit bekommen, wenn wir das auf der europäischen Ebene organisieren.“ Durch die vielen Krisen habe das Bewusstsein zugenommen, dass in Europa alle in einem Boot sitzen würden. Dies gelte für die Besteuerung großer Konzerne genauso wie für eine CO2-Steuer. „Wenn wir wirklich Geld organisieren wollen, um den Klimawandel zu stoppen, um unsere Wirtschaft in eine nachhaltige Richtung umzubauen, dann brauchen wir dazu auch Mittel. Nur auf der europäischen Ebene können wir so etwas schaffen, da haben wir eine unheimliche Kraft.“

Als Kommissionspräsident würde er die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen heranziehen, sagte Timmermans. „Dann werden wir in der Kommission unsere Prioritäten bei der Nachhaltigkeit, der sozialen Säule, bei Energie, bei Kreislaufwirtschaft, bei der Gleichstellung von Mann und Frau usw. organisieren. Wir müssen uns sehr einsetzen für eine multilaterale Weltpolitik, wo wir die Instrumente der UNO, der WTO und anderer Institutionen benutzen, um dieses System aufrecht zu halten. Wir müssen auch eine vernünftige Russland-Politik machen.“

Dass er persönlich zur Zielscheibe von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban wurde, raube ihm nicht den Schlaf, betonte Timmermans. „Ich bin in der Kommission verantwortlich für den Rechtsstaat“, sagte er. „Ich bin politisch wirklich farbenblind, wenn es um diese Aufgabe geht. Dass das dem Kaczynski und dem Orban und dem Dragnea nicht gefällt, dass weiß ich schon. Dass die dann aus deren politischer Philosophie immer mit persönlichen Angriffen kommen, das verstehe ich auch, so machen die Politik.“

In Wien wolle er Lösungen für leistbares Wohnen - vor allem für junge Menschen - ausloten, sagte Timmermans. „Das Problem gibt es in Athen, Vilnius und Dublin, überall, wo man hingeht. Es gibt ein paar Orte in Europa, wo man historisch immer eine gute Antwort auf diese Herausforderung gefunden hat, und Wien ist einer davon. Ich will versuchen, mit meinen Parteifreunden in Österreich etwas zu entwickeln, das wir auch auf europäischer Ebene nutzen können. Sozialwohnungen - es gibt nirgendwo so viel Erfahrung wie in Österreich und in Wien mit diesem Thema. Könnten wir nicht auf europäischer Ebene Strukturfonds so einsetzen, dass in einem Abkommen mit einer Stadt bei der Entwicklung von Neubauten, wenn sie zum Beispiel mindestens 30 Prozent des Projektes für Sozialwohnungen oder für Wohnungen mit niedrigen Mieten einsetzen, sie dann dafür Unterstützung aus Strukturfonds bekommen? Ich habe das schon vor vielen Jahren mit (Ex-SPÖ-Chef) Werner Faymann besprochen. Ich glaube, die SPÖ kann da wirklich sehr hilfreich sein.“

(Das Interview führte Thomas Schmidt/APA)

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