Kunst

Kokoschka im Leopold Museum: Oberwildling und Europäer

Ironie trotz Verfemung: Oskar Kokoschkas „Selbstbildnis eines entarteten Künstlers“ aus dem Jahr 1937.
© Fondation Oskar Kokoschka

Umfassende Oskar-Kokoschka-Werkschau: Das Leopold Museum lädt ein in eine imponierend vielfältige „Schule des Sehens“.

Wien –Neongrelle Inspiration für die „Neuen Wilden“ der frühen 1980erJahre ist das Spätwerk, radikale Grenzüberschreitungen kennzeichnen sein frühes Schaffen und machen ihn zu einem Pionier des Österreichischen Expressionismus. Oskar Kokoschka, 1886 im niederösterreichischen Pöchlarn geboren und 1980 in Montreux verstorben, steht als „langlebigster Wegbereiter der Moderne“, so Kuratori­n Heike Eipeldauer, im Zentrum der breit angelegten Personale im Leopold Museum.

Der Zusatz „Expressionist, Migrant, Europäer“ verweist auf ein Künstlerleben inmitten der epochalen Veränderungen und Verwerfungen des vergangenen Jahrhunderts, deren Herausforderungen sich Kokoschka malend, schreibend, kommentierend und auch agitierend stellte. Weitgehend chronologisch entfalten sich Werk und Wirken: Nahezu 270 Exponate, neben Gemälden auch zahlreiche Grafiken, Foto­grafien und Dokumente, belegen den Weg vom früh gefeierten wie verdammten Loos-Schützling über den von den Nazis als „entartet“ Verfemten bis hin zum Gründer der Salzburger „Schule des Sehens“, zum documenta-Teilnehmer und Gefährten des künstlerischen wie politischen Establishments von Adenauer bis Helmut Schmidt, von Karajan bis Kreisky.

Beindruckend sind die Porträts der ihm nahestehenden Geistesgrößen im Wien der 1910er/1920er-Jahre, von Adolf Loos, Karl Kraus, Anton von Webern oder Arnold Schönberg. Der von Freuds Psychoanalyse stark beeinflusste Künstler blickt mit seinen expressiven malerischen Mitteln, unregelmäßigen Aufhellungen, prismenartigen Verzerrungen und Auskratzungen, gleichsam in das Innere der Menschen.

Kokoschka sei ein „Seelenaufschlitzer“, so der Freund und Schriftsteller Albert Ehrenstein. Das berühmte Doppelbildnis mit den nicht zueinander findenden Händen und das allegorisch die Abtreibung des gemeinsamen Kindes reflektierende „Stillleben mit Putto und Kaninchen“ illustrieren neben weiteren Zeugnissen die fatale Liebesbeziehung zwischen Alma Mahler-Werfel und dem Künstler.

Seine Zeit als Professor in Dresden, die Prager Jahre und das englische Exil sind – begleitet von eindrücklichen bildnerischen Kommentaren – die Hochzeiten von Kokoschka­s politischem Engagement gegen Faschismus und Nationalismus. Sehenswert! (lietz)

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