Natur

Flotter Test statt langer Suche

Den Pilz erkennt man an der weißen Färbung der Haut.

Ein Pilz rottet weltweit Amphibien aus. Um festzustellen, wie weit er in Tirol verbreitet ist, sind Interessierte eingeladen, sich an einem Projekt der Universität Innsbruck zu beteiligen.

Von Judith Sam

Innsbruck –Freitagmorgen am Lohbach-Biotop: Untermalt von lautem Schmatzen stapft Michael Traugott ins dunkle Wasser. Das schwappt um die Gummistiefel des Biologen, als er sich hinabbeugt, um Wasserproben in Spritzen zu saugen. Ein paar Wasserläufer sausen eilig davon, erschrocken über die morgendliche Störung. Normalerweise herrscht um diese Zeit Ruhe rund um die grüne Oase in Innsbruck.

„Die Proben ermöglichen uns zu bestimmen, welche Amphibien hier leben. Zudem können wir auf revolutionäre Weise feststellen, ob sie vom berüchtigten Chytridpilz befallen sind“, sagt der Professor des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck.

Michael Traugott nimmt Proben, um zu sehen, ob Amphibien vom Chytridpilz befallen sind.
© Foto TT/Rudy De Moor

Besagter Pilz beschäftigt Biologen weltweit: „Er hat zu einem regelrechten Amphibienmassensterben geführt.“ Um genau zu sein, wurde der Erreger – laut einer aktuellen internationalen Studie – in 60 Ländern nachgewiesen, hat zu dramatischen Bestandseinbrüchen bei mehr als 500 Amphibienarten geführt und 90 weitere ausgerottet.

Wie weit der aus Asien eingeschleppte Chytridpilz in Tirol verbreitet ist, können die Forscher nicht sagen. Jedenfalls noch nicht. Das Citizen-Science-Projekt „Der Frosch im Wassertropfen“, das zum 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck ins Leben gerufen wurde, wird das ändern: „Unsere Arbeitsgrupp­e besteht aus wenigen Mitarbeitern. Wir können nicht jeden Teich besuchen. Darum laden wir alle Tiroler, die wissen wollen, welche Tiere in ihrem eigenen oder in einem Teich der Umgebung leben, ein, sich am Projekt zu beteiligen.“ Bis 30. April kann man sich auf der Homepage www.uibk.ac.at bewerben.

„Wir suchen dann 100 Teich­e und Biotope aus, deren Größe passt und die über Tirol verteilt sind“, sagt der gebürtige Oberösterreicher. Deren Besitzer bekommen Besammlungskits, anhand derer sie DNA aus ihren Gewässern filtern können.

Klingt sehr wissenschaftlich und erinnert an Krimiserien, wo im Labor aufwändig analysierte DNA-Spuren den Täter überführen. „Keine Sorge – für die Teichbesitzer ist das Vorgehen einfach“, beruhigt der Forscher. Zur Demonstration drückt er Wasser, das er in der Spritze aufgesagt hat, durch einen Filter: „Dort sammeln sich Gewebepartikel der Tiere, die im Wasser leben.“

Früher musste man Amphibien suchen, fangen und einen Hautabstrich machen, um den Pilz nachzuweisen. Darum werden nicht nur Wasserproben auf diese Weise genommen. Auf Hawaii filtert man Luftproben, um Schadpilzvorkommen zu messen. Bei Bodenproben lassen sich durch Ausschwemmen der Erde ebenso Pilze nachweisen.

Das Ergebnis der DNA-Analysen wird im Oktober vorliegen: „Je nach Schwere des Pilzbefalls überlegen wir dann, wie man den verbliebenen 13 heimischen Amphibienarten helfen kann.“ Heilen lassen sich die Tiere kaum, weil jedes einzelne behandelt werden müsste. „Aber wir wissen dann, welche Teiche befallen sind. Das ist wichtig, denn daraus dürfen keine Fische oder Amphibien entnommen werden, um damit andere Gewässer zu besiedeln. So würde auch der Pilz transportiert“, sagt Traugott. Ein Beispiel dafür ist der Völser Teich, den der Biologe bereits untersucht hat: „Leider mit dem Ergebnis, dass die Tiere dort erkrankt sind.“ Leicht zu erkennen an der weißen Färbung der Haut.

Sollte der Pilz weiter wüten, wird sich das auch auf den Menschen auswirken: Manche Amphibien fressen Algen und sorgen so dafür, dass Gewässer sauber bleiben. Andere fressen Schädlinge wie Moskitos und Tigermücken. „Außerdem sind Amphibien wichtig, um künftig Medikamente zu entwickeln“, sagt der Biologe. Wegen ihrer feuchten Haut sind sie gefährdet, von Pilzen aller Art befallen zu werden. Um dem vorzubeugen, haben die Tiere Substanzen entwickelt, die Forscher bereits als Basis für Schmerzmittel und Antibiotika genutzt haben.

Im schlimmsten Fall wird nur die Zucht in Menschenobhut verhindern, dass Arten aussterben. Aber Traugott will den Teufel nicht an die Wand malen: „Noch wissen wir nicht, wie es um Tirol steht.“

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