Leopold Museum: Das 20. Jahrhundert, erzählt von Oskar Kokoschka
Wien (APA) - Oskar Kokoschka hat wie wenige andere das 20. Jahrhundert als Maler begleitet. Sein Werk, groß geworden in der Wiener Moderne, ...
Wien (APA) - Oskar Kokoschka hat wie wenige andere das 20. Jahrhundert als Maler begleitet. Sein Werk, groß geworden in der Wiener Moderne, legte bis zu seinem Tod 1980 in steter Unverkennbarkeit weite Strecken zurück - geografisch, technisch, inhaltlich. Im Wiener Leopold Museum, selbst Heimat wesentlicher Kokoschka-Werke, wird ab morgen, Samstag, eine Personale gezeigt: „Expressionist, Migrant, Europäer.“
Sein Ruf als „Oberwildling“ und als „Seelenaufschlitzer“, sein Schicksal als Flüchtender und „entarteter Künstler“, später als umworbener Polit-Porträtist, sein Engagement als Pazifist, das bis zum Aktivismus reichte, sein zwiespältiges Verhältnis zum Heimatland Österreich und die Nahtlosigkeit, mit der die harsche Kritik am jungen Revoluzzer in die Nazi-Diktion überging, nicht zuletzt: sein eigenwilliger Zugang zur Darstellung von Erotik und sexueller Liebe, ganz im Einklang und doch hinauswachsend über die Themen seiner Zeit, die Paradigmenwechsel der Moderne - all das entsteht in 260 Werken gleichsam als alternative, vor allem aber eigentliche Geschichte seines, des 20. Jahrhunderts, vor dem Auge des Besuchers.
„Die Themen seiner Anfangszeit tauchen in seinem gesamten Werk immer wieder auf“, erklärt Kuratorin Heike Eipeldauer beim APA-Rundgang. „Geschlechterkampf, Psychoanalyse, kindliche Sexualität, die Erfindungen, etwa das Röntgen.“ Als Porträtist und Selbst-Porträtist betätigte er sich selbst als Durchleuchter, schon früh, als seine charakteristische kristalline Maltechnik aus ungemischten Farben sich erst langsam zu entwickeln begann. „Viele der Porträtierten haben sich nicht wiedererkannt“, so Eipeldauer, weshalb Adolf Loos, der eine Ausfallshaftung für Kokoschka übernommen hatte, einen wesentlichen Teil seiner Gemälde dieser Zeit erhielt. Kokoschkas Porträts von Loos selbst sowie seiner Partnerin, der britischen Tänzerin Bessie Bruce, werden fast nie gemeinsam aus der Berliner Nationalgalerie verliehen.
Eindrucksvolle Leihgaben ziehen sich vom Früh- zum Spätwerk - und nicht immer handelt es sich um Gemälde. Im ersten Raum wird man von vorrangig angewandten Arbeiten empfangen - etwa das wichtige Künstlerbuch der „Träumenden Knaben“, aber auch Postkarten, die der junge Kokoschka für die Wiener Werkstätte anfertigte oder ein Kleid, das er „seiner“ Lilith Lang entwarf. Frühe Akte auf Papier lassen erkennen, wie selbstverständlich er, 1912 und 1913, den dekorativen Jugendstil hinter sich ließ und leichtfüßig Raum für das Hässliche beanspruchte. Die Kritiken waren vernichtend, doch die Arbeiten verkauften sich rasch. Viele der Käufer waren Künstler.
Aus Schottland kommt das bekannte „Selbstbildnis als entarteter Künstler“, aus der Staatsgalerie Stuttgart der eigentlich bereits abstrakte „Nieuwe Markt“ aus 1925, aus dem Museum Folkwang in Essen die „Augustusbrücke mit Rückenfigur“ (1923) mit ihrer an Farbfeldmalerei grenzenden Ausführung, aus dem Lehmbruck Museum in Duisburg die „Spielenden Kinder“ aus 1909, deren süß-behütete und doch von Anklängen an Missbrauch gezeichnete Darstellung eines Geschwisterpaares einen Ausstellungsbesucher in Wien zu einer Attacke auf das Bild verleitete. Wie subtil kritisch sich Kokoschka mit den verbreiteten pädophilen Neigungen in seinem Bekanntenkreis malerisch auseinandersetzte, ist ein Kapitel für sich, das nicht zuletzt im Katalog aufgearbeitet wird.
Eigentlich nie zusammen zu sehen sind die beiden raumfüllenden Triptychen „Prometheus“ und „Thermopylae“ aus den frühen 50er-Jahren, als Kokoschka sich auf die Antike verlegte, um das europäische Wertesystem zu reflektieren. Dem politischen Kokoschka ist überhaupt ein großer Teil der Ausstellung gewidmet. Bereits in Prag zählte er ab 1934 zu den wichtigen Identifikationsfiguren für Exil-Verbände, befreundete sich mit pazifistischen Gleichgesinnten, während er in der Heimat in der „entarteten Kunst“-Schau verfemt wurde. In der Londoner U-Bahn ließ er pazifistische Plakate affichieren, stellte auch seine Gemälde in den Dienst deutlicher Botschaften, fast comichafter Abgesänge, nicht zuletzt auf die Verfasstheit seiner österreichischen Heimat. Immer war er, der Kosmopolit, der das Reisen wie ein Lebenselixier trank, und einige seiner revolutionärsten Techniken in der Landschafts- und Städtemalerei entwickelte, überzeugter Europäer.
„Ich finde, dass dieser Homo Politicus in Zeiten der zunehmenden Nationalismen die richtige Antwort ist“, erklärt Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger gegenüber der APA. „In diesem Europa mit Auflösungserscheinungen ist er aktueller denn je.“ Für den Sammler Rudolf Leopold sei Kokoschka von großer Bedeutung gewesen, er selbst erstand acht Gemälde, über Dauerleihgaben konnte die hauseigene Sammlung auf 14 Stück ausgeweitet werden. Nach der aktuellen Retrospektive - die erste in diesem Umfang seit 30 Jahren - werden sie in die erst kürzlich neu aufgestellte Dauerausstellung Eingang finden, anstelle des derzeit eingerichteten Raumes zu Arnold Schönberg.
(S E R V I C E - Ausstellung „Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer“ im Leopold Museum, von 6.4. bis 8.7., Öffnungszeiten Mi bis Mo, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr, Dienstag geschlossen. www.leopoldmuseum.org)
(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen im Pressebereich von www.leopoldmuseum.org zum Download bereit.)