Konzert

Wenn sich russische Herzen vereinen

Jérémie Rhorer (l.), Michail Pletnjow und das Russian National Orchestra begeisterten.
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Wenn ein russischer Pianist und ein russisches Orchester Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll spielen, dann wird selbst ein de...

Wenn ein russischer Pianist und ein russisches Orchester Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll spielen, dann wird selbst ein derart guter Dirigent wie Jérémie Rhorer zum Zuhörer. So geschehen beim 6. Innsbrucker Meisterkonzert im Congress. Wenn es dann noch um den Pianisten Michail Pletnjow geht, der mit dem von ihm gegründeten Russian National Orchestra auf der Bühne sitzt, vereinen sich automatisch russische Herzen.

Pletnjow ist ein Musiker der Sonderklasse, technisch brillant, musikalisch tiefgreifend. Bescheiden tritt er auf die Bühne und geht so wieder ab, dazwischen ist er aber in seiner Bescheidenheit großartig. Und doch geriet der erste Satz des vielgespielten Klavierkonzertes (für westliche Herzen) etwas zu verhalten. Pletnjows russisches Herz schlug am Anfang unaufgeregt, abgeklärt und wenig voranstürmend. Dafür schenkten die Musiker dem Publikum einen noch nie so intensiv gespielten zweiten Satz des Konzertes. Der Pianist und die hervorragenden Bläser schwelgten in der Melodienpracht, bevor man sich stürmischer in die nachfolgenden Sätze stürzte. Dirigent Jérémie Rhorer stellte sich dabei immer ganz in den Dienst von Pletnjow.

Gestaltungswillen und -können hatte der französische Dirigent einleitend mit Modest Mussorgskis „Morgendämmerung an der Moskwa" ausreichend hören und spüren lassen. So war Dimitri Schostakowitschs aufwühlende 5. Sinfonie in kompetenten Händen.

Der Komponist zog mit diesem Werk praktisch seinen Kopf aus der Schlinge, die ihm das stalinistische Terrorregime geknüpft hatte. Er war für seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk" scharf verurteilt worden. Seine fünfte Sinfonie sei daher die „schöpferische Antwort eines sowjetischen Künstlers auf gerechte Kritik", wie er schrieb. Die Parteiführung war zufrieden. Bemerkte nicht, dass die Sinfonie eine Anklage und ein Hilferuf eines geknechteten Volkes ist.

Rhorer trieb die Musiker zu Höchstleistungen an. Seine Zeichensprache am Pult war klar und impulsiv, das daraus resultierende Spiel des Orchesters kompakt und intensiv. Da saßen Meister ihrer Instrumente an den Pulten. Das Finale, ein vermeintlicher Triumphmarsch, eigentlich ein mit Terror erzwungener Jubel, hatte Gänsehautqualität. Der Jubel des Publikums war nicht künstlich, sondern von der Leistung erzwungen. Ein grandioser Abend! (wo)

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