Wandel in den USA: Ernsthafte Darstellerinnen statt dicke Ulknudeln
Hollywood (APA/AFP) - Die Dicke als Ulknudel ist im Film ein altes Stereotyp. Doch ernsthafte Rollen für Schauspielerinnen im XXL-Format war...
Hollywood (APA/AFP) - Die Dicke als Ulknudel ist im Film ein altes Stereotyp. Doch ernsthafte Rollen für Schauspielerinnen im XXL-Format waren bisher rar. In den USA scheint sich das gerade zu ändern. Melissa McCarthy wurde für „Can You Ever Forgive Me?“ heuer für den Oscar nominiert. Und in der neuen US-Serie „Shrill“ dreht sich alles um die extrem übergewichtige Annie, gespielt von Aidy Bryant.
„Ich denke, es vollzieht sich gerade ein Wandel“, sagt Rebecca Puhl, Professorin an der Universität Connecticut und stellvertretende Leiterin des Instituts für Ernährungspolitik und Fettleibigkeit. Den Anfang machten vor mehr als zehn Jahren Schauspielerinnen wie Octavia Spencer und Mo‘Nique mit einzelnen Film- und Fernsehrollen. In jüngerer Zeit machte dann Chrissy Metz in der Serie „This Is Us - Das ist Leben“ auf sich aufmerksam.
„Früher spielten Übergewichtige eher komödiantische als ernsthafte Figuren“, sagt James Zervios von der Organisation Obesity Action Coalition, die sich gegen Diskriminierung aufgrund des Gewichts einsetzt. „Erst seit sehr kurzer Zeit sehen wir Fettleibige auch in dramatischeren Rollen.“ Doch dieser Wandel gelte bisher in erster Linie für Frauen, sagt Zervios. Dicke Männer müssten nach wie vor kämpfen, wenn sie nicht immer nur die Witzfigur geben wollten.
Die Wissenschafterin Puhl und ihre Kollegen haben sich die Rollen, die Dicke in den vergangenen Jahrzehnten im Film spielten, genauer angesehen: „Sie werden oft lächerlich gemacht und als Dauerfresser karikiert“, fasst Puhl die Ergebnisse zusammen. „Zudem haben sie weniger positive Beziehungen zu anderen.“ Besonders extrem sei diese Charakterisierung im Kinderfernsehen. Dort seien korpulente Menschen meist „aggressiv, unfreundlich und Außenseiter“. Diese Darstellung spiegle nicht nur die Diskriminierung in der Wirklichkeit wieder, sie verstärke sie noch, sagt Puhl und beruft sich dabei auf wissenschaftliche Studien.
Melissa McCarthy ist derzeit eine der wenigen schwergewichtigen Schauspielerinnen, die in Filmen zu sehen ist, in denen ihre Figur kaum oder gar nicht thematisiert wird. In „Shrill“ wird die Protagonistin Annie zunächst durch kleine Gehässigkeiten ständig an ihr Übergewicht erinnert. Aber die Seriengeschichte wird zunehmend komplexer und Annie fühlt sich immer wohler in ihrer Haut - auch wenn andere nicht über ihre Figur hinwegsehen können.
„In vielerlei Hinsicht ist es eine ganz normale TV-Serie. Es geht um eine jung Frau, ihren Job, ihren Boss, ihre Liebesbeziehungen und ihre Freundinnen“, sagte Bryant in einem Interview mit der Zeitschrift „Elle“. „Aber die Frau, die im Mittelpunkt steht, macht den Unterschied. Und dieser Blickwinkel ist wichtig.“
Auch wenn die Entwicklung in die richtige Richtung gehe, „sind wir noch lange nicht am Ziel“, sagt Wissenschafterin Puhl. „Zwei Drittel der Amerikaner sind entweder übergewichtig oder fettleibig und deshalb sollten wir diese Menschen auch auf dem Bildschirm zeigen.“