Brexit - Timmermans: Briten sollen bleiben oder schnell austreten

Wien/London (APA) - Der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der Europawahl, Frans Timmermans, hat Großbritannien zu einer raschen Entsch...

Wien/London (APA) - Der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der Europawahl, Frans Timmermans, hat Großbritannien zu einer raschen Entscheidung im Tauziehen um den Brexit aufgerufen. „Mir wäre am wichtigsten, Klarheit zu bekommen. Entweder die bleiben noch, oder die gehen, aber dann schnell“, sagte er am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien. Nachsatz: „Mir wäre am liebsten, die blieben.“

„Ich finde es eine Tragödie, dass England uns verlässt. Das tut richtig weh“, stellte der Niederländer seine eigene Präferenz klar. „Aber wenn die darauf (auf dem Brexit, Anm.) bestehen, dann möglichst schnell.“ Schließlich müsse sich Europa auf seine Aufgaben und Herausforderungen konzentrieren. „Wir können nicht ewig nur über den Brexit reden.“

Timmermans wollte auf eine Frage der APA keine Einschätzung darüber abgeben, wie wahrscheinlich eine Teilnahme der Briten aus der Europawahl aus heutiger Sicht sei. „Ich warte einmal ab, was die sich ausdenken in London“, sagte er bei dem gemeinsamen Auftritt mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder im Rathaus. Sollten die Briten aber „noch länger brauchen, um den Brexit zu organisieren, dann ist der EU-Vertrag klar, dann müssen die teilnehmen. Dann haben wir keine Wahl“, sagte Timmermans.

Auf die Frage, ob er sich von Corbynisten (Anhängern des britischen Oppositionsführers Jeremy Corbyn) zum Kommissionspräsidenten wählen lassen würde, sagte Timmermans: „Ich habe mit Corbynisten überhaupt kein Problem.“ Sollte Großbritannien in der EU bleiben, „dann freue ich mich natürlich darauf, dass Labour wieder zu unserer Familie gehört“. Der niederländische Sozialdemokrat hob hervor, dass die Labour-Abgeordneten in der vergangenen Legislaturperiode im EU-Parlament „eine Riesenarbeit“ geleistet hätten. „Die sind wirklich gut.“

In Umfragen zur Europawahl liegen die europäischen Sozialdemokraten derzeit klar hinter der Europäischen Volkspartei (EVP), was auch am Brexit liegt. Sollte Großbritannien an der EU-Wahl teilnehmen, würde sich der Abstand zwischen den beiden größten Parteienfamilien deutlich verringern. Diese schicken jeweils einen gemeinsamen Spitzenkandidaten ins Rennen, der bei einem Wahlsieg den Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten stellen soll. Die EVP tritt mit Weber an, die Sozialdemokraten (SPE) mit Timmermans, der am morgigen Samstag auch am SPÖ-Europawahlauftakt in Wien teilnehmen wird.

Timmermans und seine SPÖ-Kollegen versuchen die europäischen Sozialdemokraten als jene Kraft zu präsentieren, die auf EU-Ebene das Wohl der Menschen im Auge hat, während es den dominierenden konservativen Parteien um die Konzerne gehe und die Rechtspopulisten das europäische Einigungswerk zerstören wollten.

Timmermans nannte die Stadt Wien ein „Vorbild für Europa“ und hob insbesondere die vergleichsweise niedrigen Mieten durch den sozialen Wohnbau hervor. „Zu viele Europäer haben das Gefühl, dass sie das eigene Schicksal nicht in der eigenen Hand haben“, kritisierte er die Tatsache, dass junge Leute entweder bei ihren Eltern bleiben oder wegen der hohen Mieten aus ihren Heimatstädten wegziehen müssten. Als EU-Kommissionspräsident würde er sich dafür einsetzen, einen Teil von EU-Fördermitteln in den sozialen Wohnbau zu stecken.

„Wien ist die Hauptstadt des sozialen Europas“, betonte der Schieder. Anders als in Paris, wo die Stadt die private Wasserversorgung zurückkaufe, oder in Berlin, wo private Wohnungen in städtisches Eigentum zurückgeführt werden müssten, sei in der österreichischen Hauptstadt kein „Take back control“ notwendig, sagte Schieder unter Verwendung des Slogans der britischen EU-Austrittsbefürworter.

Ludwig sagte seinem ehemaligen Kontrahenten um den Wiener Bürgermeisterposten betont herzlich die Unterstützung der SPÖ Wien bei der Europawahl zu. „Das ist kein Wahlkampf, wie in der Vergangenheit, wo es darum geht, welche politische Familie mehr Mandate bekommt, sondern es wird eine Entscheidung darüber sein, wie die Zukunft Europas weitergeht“, sagte der Wiener SPÖ-Chef Ludwig mit Blick auf jene Kräfte, „die Europa zerstören“ wollen. Timmermans sei „ein Garant dafür, dass die Alltagssorgen der Menschen auch in Zukunft in einem gemeinsamen Europa ernst genommen werden“, unterstrich der Bürgermeister.