Film und TV

“Birds of Passage“: Tödliche Mythen in der Guajira-Wüste

Der Anfang vom Ende einer Familiengeschichte: Zaida (Natalia Reyes) wird vom Aufsteiger Rapayet (José Acosta) umworben.
© Polyfilm

Das Regie-Duo Cristina Gallego und Ciro Guerra halten sich in “Birds of Passage“ nicht mit dem politischen Hintergrund Lateinamerikas der 60er und 70er auf. Ihr fruchtbares Rezept ist die Kombination von ethnografischen Motiven mit dem Genrekino:.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck –Die Familie geht über alles und Geschäftsbeziehungen können tödlich enden. Das haben wir nicht erst bei Francis Ford Coppolas „Der Pate“ gelernt.

„Pájaros de verano – Birds of Passage“ erzählt den Aufstieg und Fall einer kolumbianischen Familie.

Rapayet möchte die schöne Zaida heiraten. Wir sind in der Guajira Wüste im Jahre 1968, und die beiden gehören zum indigenen Volk der Wayuu. Das Brautgeld ist hoch, also lässt sich Rapayet auf Drogen-Geschäfte mit antikommunistischen Gringos ein. Die Matriarchin Úrsula ahnt Böses, akzeptiert den Schwiegersohn aber. Zunächst bringt das neue Geschäftsfeld der Familie Wohlstand, doch wie in jeder Mafia-Geschichte verlangen die Dollar ihren Tribut.

Das Regie-Duo Cristina Gallego und Ciro Guerra halten sich nicht mit dem politischen Hintergrund Lateinamerikas der 60er und 70er auf. Ihr fruchtbares Rezept ist die Kombination von ethnografischen Motiven mit dem Genrekino: Stammesmythen treffen auf Kinomythen. In farbenprächtigen Breitwandbildern und mit viel Ruhe zeigen sie immer wieder indigene Rituale. Die titelgebenden Vögel wandern als Unglücksboten durch die Szenen oder bleiben gleich ganz aus. Traumsequenzen und Prophezeiungen warnen vor der bevorstehenden Gewalt. „Wir haben die Seele verloren. Uns beschützt nichts mehr“, heißt es etwa. Zwar darf ein Wayuu keinen Ermordeten berühren, lange lässt sich dieses Gebot allerdings nicht aufrechterhalten. „Pájaros de verano“ kommt am Ende seiner zwei Stunden auf eine beachtliche Zahl an Leichen. Doch nicht an allem ist das westliche Drogengeld schuld, auch knöcherne Traditionen fordern ihren Blutzoll, denn die Wayuu sind keine unschuldigen Eingeborenen. Und genau darin begründet sich die Raffinesse dieses gewaltvollen Familien-Epos.

Nach seiner Premiere beim Filmfestival in Cannes brachte es der Genrefilm auf die Longlist für den Auslands-Oscar. 2016 hatte Ciro Guerra mit „El abrazo de la serpiente – Der Schamane und die Schlange” die erste kolumbianische Oscar-Nominierung überhaupt geholt. Demnächst wird Regisseur Ciro Guerra sogar seinen ersten Hollywood-Film mit Johnny Depp und Robert Pattinson nach einem Roman von J. M. Coetzee fertigstellen.

Verwandte Themen