Der Hoffnungsträger der Netanyahu-Gegner

Jerusalem (APA/AFP) - Der Ex-Generalstabschef Benny Gantz ist bei der anstehenden Wahl in Israel der gefährlichste Herausforderer von Minist...

Jerusalem (APA/AFP) - Der Ex-Generalstabschef Benny Gantz ist bei der anstehenden Wahl in Israel der gefährlichste Herausforderer von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. In letzten Umfragen lieferten sich die beiden Politiker ein Kopf-an-Kopf rennen. Gantz inszeniert sich im Schlussspurt des Wahlkampfs als knallharter Außenpolitiker mit einem liberalen Gesellschaftsbild. Kritiker werfen ihm Profillosigkeit vor.

Seit der Ankündigung seiner Kandidatur für die Mitte-rechts-Liste „Blau-Weiß“ im Dezember war der 59-Jährige in Umfragen zum Hauptgegner Netanyahus aufgestiegen. Seine Vergangenheit als Armeechef entpuppte sich dabei als größter Trumpf des bisher politisch unerfahrenen Gantz, denn viele Israelis identifizieren sich über Parteigrenzen hinweg mit ihren Soldaten. Mit Yitzhak Rabin und Ehud Barak wurden bereits zwei Ex-Generalstabschefs ins Amt des Regierungschefs gewählt.

Das macht sich Gantz - ein Hüne mit einer Körpergröße von 1,95 Metern und blauen Augen - im Kampf gegen Netanyahu zunutze. Während er einst eine Spezialeinheit der israelischen Luftwaffe unter Lebensgefahr auf feindlichem Gebiet in den Kampf geführt habe, sei Netanyahu „mit Mut und Entschlossenheit“ durch Fernsehshows getingelt, sagte Gantz im Februar bei einem Wahlkampfauftritt.

Das ist die eine Seite des Politikers Gantz: der unerbittliche Verteidiger Israels. Die andere Seite sind liberale Ansichten in gesellschaftlichen und religiösen Fragen. Vor allem aber verkörpert der verheiratete Vater von vier Kindern die von zahlreichen Wählern ersehnte Alternative zu Netanyahu.

Dementsprechend verweist Gantz immer wieder auf die Bestechungsskandale des Ministerpräsidenten. Zugleich verspricht er „null Toleranz“ bei Korruption.

Gantz wurde am 9. Juni 1959 in einem Dorf im Süden Israels geboren. Seine Eltern waren Holocaust-Überlebende und hatten die Ortschaft Kfar Ahim einst mit aufgebaut.

Die Geschichte seiner Eltern prägte Gantz. „In vielerlei Hinsicht hat mein Leben schon vor meiner Geburt begonnen“, sagte er im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz. „Mein Leben hat begonnen, als meine Mutter aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen herauskam.“

Aus dieser Geschichte habe er seine politische Grundüberzeugung abgeleitet: „Das jüdische Volk und der jüdische Staaten werden nie wieder ihr Schicksal in die Hände anderer legen. Wir werden uns selbst beschützen und die Zukunft unseres Volkes sichern.“

1977 wurde Gantz in die Armee eingezogen. Dort wurde er Fallschirmspringer und machte Karriere. Er befehligte die Spezialeinheit Shaldag und leitete zunächst eine Brigade, dann eine Division im besetzten Westjordanland.

Zwischen 2005 und 2009 diente er als Militärattaché in den USA. Von 2011 bis 2015 war er Generalstabschef - und leitete in dieser Funktion zwei Kriege Israels im Gazastreifen.

In einem Wahlkampfvideo rühmt sich Gantz wegen der hohen Zahl von „Terroristen“, die während des Gaza-Kriegs im Jahr 2014 getötet worden seien. In einem weiteren Video erklärte er jedoch, es sei keine „Schande“, mit den Arabern über Frieden zu verhandeln.

Unklar bleibt auch die Liste „Weiß-Blau“ mit Blick auf eine mögliche Lösung des Nahostkonflikts. Israel und Palästinenser sollten getrennt werden - aber die Zweistaatenlösung wird nicht erwähnt.

Überhaupt gibt es in vielen dieser Fragen nur graduelle Unterschiede zwischen Gantz und Netanyahu, die beide um die Wähler der rechten Mitte konkurrieren. So ist auch für Gantz die israelische Annexion der Golan-Höhen nicht verhandelbar.

Gegner werfen dem 59-Jährigen vor, sein Angebot an die Wähler sei wie ein „Supermarkt“, in dem sich jeder heraussuchen könne, was er gerade haben wolle.

Ins selbe Horn blies zuletzt ausgerechnet die Schwester des Herausforderers. Sie habe „keine Ahnung“ von den politischen Überzeugungen ihres Bruders, sage Shoschi Inbar der Zeitung „Haaretz“. Er habe ihr noch nicht mal gesagt, wen er bisher wählte.