Die Trendwende zum Tierwohl endet am Teller
Das Wohl der Tiere scheint aktuell die Massen zu bewegen. In Österreich kommt das Tierschutzvolksbegehren in die heiße Phase. Am Teller regieren hingegen weiter Preis und Fleisch.
Von Deborah Darnhofer
Innsbruck – Die Bienen werden für ein neues Gesetz in Bayern sorgen und ein Umdenken im Umweltschutz einläuten. Mit dem Slogan „Rettet die Bienen“ sammelte das Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit“ in nur zwei Wochen im Februar mehr als 1,7 Millionen Unterschriften. Damit zwingt es die Regierungsverantwortlichen jetzt zum Handeln. Dem im Begehren enthaltenen Gesetzesentwurf wollen CSU und Freie Wähler im Landtag zustimmen, das wurde letzten Mittwoch bekannt. Das hätte mehr Schutz für Bienen und Insekten, größere Rückzugsgebiete, stärker geschützte Uferränder, strengere Vorgaben bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft zur Folge. Zwar soll ein zweites Gesetz nachgeschoben werden und strittige Punkte, wie das zeitlich begrenzte Walzen von Landwirtschaftsflächen, mildern. Doch eine Trendwende zum Schutz von Tier und Umwelt lässt sich nicht leugnen.
Auch in Österreich tut sich auf diesem oft emotional aufgeladenen Gebiet gerade einiges: Das Tierschutzvolksbegehren (TSVB) geht mit dem Start der Unterschriftenaktion am 7. Mai in seine heiße Phase. Österreichweit werden Informationsveranstaltungen abgehalten und Unterstützer ins Boot geholt.
Die österreichischen Forderungen konzentrieren sich vor allem auf eine Verbesserung des Wohles von Nutz- und Haustieren. Gesetzesänderungen strebt TSVB-Initiator Sebastian Bohrn Mena, ehemaliger Tierschutzsprecher der einstigen „Liste Pilz“, ebenfalls an. Er hat aber noch einen großen Effekt im Sinn: „Mit dem Volksbegehren schaffen wir Bewusstsein für Tierwohl, Umwelt und Gerechtigkeit. Diese Bereiche bedingen sich gegenseitig.“
Um Stimmung zu machen, nutzt das Begehren daher den maximal rechtlich zugelassenen Zeitraum bis Ende 2020 aus. 100.000 Unterschriften werden benötigt, um im Parlament behandelt zu werden. „Diese Zahl peilen wir auf jeden Fall an“, sagt Bohrn Mena. Bis dahin versuche er, in Gesprächen so viele Menschen und Verbände wie möglich zu überzeugen. Gab es in Bayern Gräbenkämpfe zwischen Tierschützern und Landwirten sei das beim Volksbegehren in Österreich aktuell nicht der Fall, berichtet er. „Wir arbeiten mit allen zusammen und haben viele Landwirte bei uns dabei. Es geht uns um eine Integration ihrer Perspektiven.“ Tier- und Umweltschutzorganisationen weiß Bohrn Mena naturgemäß auf seiner Seite. „Es ist jetzt höchste Zeit für eine Trendwende in der Tierhaltung in Österreich“, erklärt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich. Auch der Wiener Tierschutzverein hat seine Unterstützung zugesagt.
Verbesserungen im Tierwohl werden übrigens bereits aktuell auf Länderebene angestrebt: In der entflammten Debatte zu Tiertransporten hat Vorarlberg reagiert. Eine Abfertigung eines Kurzstreckentransportes durch die Behörde erfolgt nur mehr, wenn als endgültiger Bestimmungsort Italien angegeben ist. Salzburg hingegen will die Zahl der Fuhren von Kälbern über lange Strecken reduzieren. Zugleich forderten die Salzburger Grünen am Mittwoch ein generelles Ende dieser Lebendtiertransporte. „Es ist schlichtweg absurd, dass wir 15 Tage alte Kälber nach Italien, Polen und Spanien verfrachten und gleichzeitig große Mengen Kalbfleisch aus den Niederlanden importieren“, teilt die grüne Klubobfrau im Landtag, Kimbie Humer-Vogl, mit.
Dabei wird eines deutlich: Beim Konsum bestimmt nach wie vor billiges Fleisch die Mahlzeiten. Für 58,9 Prozent der Käufer ist das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Einkauf „sehr wichtig“. Das besagt eine aktuelle Studie von Marketagent. Der Fleischkonsum befindet sich seit Jahren mit 63,4 Kilogramm pro Kopf und Jahr auf viel zu hohem Niveau und dreimal über den Empfehlungen. Gleichzeitig ist laut der Studie 46,6 % der Befragten Tierwohl wichtig. Am Teller scheint das nicht angekommen zu sein.
Forderungskatalog im Überblick
Die Initiatoren des Tier-schutzvolksbegehrens haben fünf Hauptforderungen mit diversen Unterpunkten formuliert. Sie verlangen „gesetzliche Änderungen auf Bundesebene“, auf konkrete Gesetzesentwürfe verzichten sie aber.
1. Tierhaltung: Der erste Punkt betrifft eine tiergerechte Haltung und Fütterung, ein Ende von Qualzuchten, eine Verminderung von Tiertransporten, Amputationen und Stress bei der Schlachtung.
2. Tierwohl: Öffentliche Fördermittel sollen künftig so umgeschichtet werden, dass das Tierwohl gefördert wird.
3. Konsum: Bessere Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln und Pelzwaren sollen mehr Transparenz bringen.
4. Haustiere: Bei Hunden und Katzen sollen Qualzuchten verboten werden. Außerdem sei der Katzenschutz neu zu regeln.
5. Tierschutz: Auf politischer Ebene sollen Tierschutzorganisationen Mitwirkungsrechte erhalten. Außerdem solle der amtliche Tierschutz gestärkt werden.
Volksbegehren zu Tier und Umwelt
1,745.383 Millionen Unterschriften (18,4 Prozent der Wahlberechtigten) hat das Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!“ im Februar 2019 gesammelt. Damit ist es das erfolgreichste Volksbegehren in der bayerischen Landesgeschichte.
Bisher hat es hierzulande seit 1964 44 Volksbegehren gegeben. Ab 100.000 Unterschriften müssen die Belange im Parlament behandelt werden. Das bedeutet nicht, dass die Anliegen umgesetzt werden. Erst Ende März wurde im Nationalrat das mit 881.692 Unterschriften sehr erfolgreiche „Don’t Smoke“-Volksbegehren ohne Konsequenzen zu den Akten gelegt.
In Österreich bekam das Volksbegehren gegen Gentechnik 1997 1,225.790 Stimmen (21,23 Prozent der Wahlberechtigten) und rangiert in der Gesamtliste auf Platz zwei. In Österreich werden bis heute keine Gentechnik-Pflanzen angebaut.
1996 gab es ein Volksbegehren „für ein Bundes-Tierschutzgesetz“. Es kam auf 459.096 Stimmen (7,56 Prozent) und liegt auf Platz 14 der Rangliste.