Lage in Libyen verschärft sich, Luftschläge auf Haftars Truppen
Libyens Regierungschef Al-Sarraj warnt den abtrünnigen General Haftar vor einem „Krieg ohne Gewinner“. Dieser hat am Donnerstag eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis gestartet. Die Kämpfe intensivieren sich immer weiter.
Tripolis – Angesichts der Offensive seines Rivalen Khalifa Haftar auf die libysche Hauptstadt hat der Chef der Einheitsregierung Fayez al-Sarraj vor einem „Krieg ohne Gewinner“ gewarnt. Während die Libysche Nationale Armee (LNA) unter dem abtrünnigen General Haftar ihre Offensive auf Tripolis am Wochenende fortsetzte, erhielten die regierungstreuen Truppen Unterstützung aus dem Umland. Die UNO und die G-7-Außenminister forderten ein Ende der Kämpfe.
Sarraj erinnerte in einer Fernsehansprache am Samstag an ein Treffen mit Haftar im Februar. Danach hatten die beiden vereinbart, gemeinsam eine Regierung zu bilden und bis zum Jahresende Wahlen anzusetzen. Diese Übereinkunft habe Haftar nun „verraten“ und versuche, ihm „einen Dolch in den Rücken zu stoßen“, sagte der Chef der international anerkannten Einheitsregierung.
„Intensive“ Luftangriffe auf Haftars Truppen
Haftars LNA hatte am Donnerstag eine Offensive auf Tripolis gestartet, wo die Einheitsregierung ihren Sitz hat. Dabei wurde sie am Samstag erstmals aus der Luft angegriffen. Der Angriff sei in der Region Al-Aziziya erfolgt, etwa 50 Kilometer südlich der Hauptstadt, teilten die Truppen Haftars mit. Das Flugzeug sei in der westlibyschen Stadt Misrata gestartet. Regierungstreue Truppen bestätigten „intensive“ Luftangriffe auf die LNA.
Die in Misrata stationierten Einheiten sind überwiegend loyal zur Regierung in Tripolis. Ein AFP-Fotograf beobachtete, wie mindestens eine bewaffnete Gruppe aus Misrata, die sogenannte Brigade 166, zur Verstärkung kam, um vor Tripolis an der Gegenoffensive gegen die LNA teilzunehmen.
Der Sprecher der Gruppe, Khaled Abu Jasiya, sagte, seine Einheit warte nun auf „Befehle, um jegliche feindliche Vorstöße auf Tripolis zurückzuschlagen“. In Tajoura, einem Vorort rund 30 Kilometer östlich von Tripolis, beobachtetet ein AFP-Reporter, wie dutzende Militärfahrzeuge, darunter auch Flugabwehrgeschütze, zusammengezogen wurden.
Allparteienkonferenz soll stattfinden
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in Libyen Chaos. Die Einheitsregierung ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle. Immer wieder gibt es internationale Vermittlungsversuche.
So bekräftigte die UNO am Samstag, die geplante Allparteienkonferenz werde wie geplant Mitte April stattfinden. Zu ihr werden in der Stadt Ghadames mehr als hundert Delegierte erwartet, die Termine für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen festlegen sollen.
Neben der UNO rief auch die Gruppe der sieben führenden Industrienationen beide Seiten zur Mäßigung auf. Die Außenminister der G-7-Staaten forderten am Wochenende bei einem Treffen im französischen Dinard, die Konfliktparteien sollten „alle Aktivitäten und alle Truppenbewegungen auf Tripolis“ umgehend beenden. Es gebe keine militärische Lösung in dem Konflikt, betonten die Minister. Durch die neue Gewalt würden lediglich Zivilisten gefährdet.
Frankreich oder Russland als Vermittler?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron traf sich am Samstag mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres und betonte dabei noch einmal seine Unterstützung für das UN-Engagement. Frankreich ist in der Region gut vernetzt und sieht sich als möglicher Vermittler. Kritiker werfen Paris jedoch vor, auf Seiten von General Haftar zu stehen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor ebenfalls eine mögliche Vermittlerrolle seines Landes angedeutet. Moskau stehe mit allen politischen Kräften in Libyen in Kontakt, unterstütze aber keine von ihnen, sagte der Minister.
Warteschlangen vor Tankstellen und Supermärkten
Bei den Einwohnern von Tripolis wächst unterdessen die Angst vor einem längeren Kampf um die Stadt. An Tankstellen und Supermärkten bildeten sich Schlangen. „Wir müssen jetzt alles horten, was man braucht“, sagte eine Frau in einem Supermarkt in der Hauptstadt. „Man weiß ja nie, was geschieht.“ (APA/AFP)