donaufestival: Pauer und Giannotti schlagen „Nägel in die Wände“

Krems (APA) - Grenzen können auf vielfältige Weise gezogen werden: Im persönlichen Kontext, im politischen Diskurs, im gesellschaftlichen Zu...

Krems (APA) - Grenzen können auf vielfältige Weise gezogen werden: Im persönlichen Kontext, im politischen Diskurs, im gesellschaftlichen Zusammenleben. Für ihre Performance „this is where we draw the line“ hat sich das Duo Karin Pauer und Aldo Giannotti darüber Gedanken gemacht und will mit der Uraufführung am Freitag beim Kremser donaufestival vor allem eines fördern: „Einen empathischen Zugang.“

Es ist in dieser Form die erste Zusammenarbeit zwischen Tänzerin und Choreografin Pauer und dem bildenden Künstler Giannotti. Beide kennen sich schon länger, u.a. durch das Performancekollektiv Liquid Loft. „Karin und ich haben einfach ähnliche Vorstellungen und den selben Humor“, meinte Giannotti im APA-Interview. Der Anstoß zur jetzigen Zusammenarbeit war einerseits die Anfrage seitens des Avantgarde-Festivals, andererseits der schon früh im Raum stehende Titel. „Den hatten wir, noch bevor das Projekt überhaupt Gestalt angenommen hat“, schmunzelte der gebürtige Italiener. „Es war ein guter Ausgangspunkt, um unsere Zugänge zu kombinieren.“

Konkret bedeutet das: Während sich Giannotti in seinen Arbeiten intensiv mit Räumen und Architektur auseinandersetzt, bringt sich Pauer mit ihrem Körper ein. „Sie kreiert die Bewegung im Raum, und mir geht es um die Neuanordnung und Verformung desselben.“ Den Beginn stellt für ihn dabei immer eine Zeichnung dar. „Ich würde mich aber nicht als Zeichner sehen. Es ist einfach der erste Schritt von einer Idee hin zur Realisierung eines Impulses“, so Giannotti. „Gemeinsam können wir nun das Publikum in diese Praxis hineinholen. Unser Stück hat das Ziel, sich vom Zwei- ins Dreidimensionale zu bewegen. Es ist ein Experiment.“

So sind es mal einfache, dann wieder komplexer erscheinende Strichzeichnungen, die mit Seilen an einer Wand nachgeformt werden. Sie dienen als erste Referenz an die Netzwerke und Knotenpunkte, die auch Menschen zueinander einnehmen. In weiterer Folge wird von Pauer und ihrem Kollegen Arttu Palmio aber auch das Publikum miteinbezogen. Es entstehen Bezüge zum Titel: „Wo überschreite ich deine Grenze? Ab wann begebe ich mich in deinen persönlichen Raum? Das versuchen wir zu thematisieren, ohne den Leuten zu nahe zu treten“, so Pauer. „Ich bin sehr daran interessiert, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Leute wohlfühlen und natürlich verhalten.“

Ihr gehe es dabei „um ein kollektives Ausüben von Empathie, Verhandlung und Zuhören“, so die Tänzerin. „Es gibt Elemente, die das spezifisch heraufordern.“ Gerade als Performerin habe sie sich das aneignen müssen, „einfach weil es der Beruf verlangt und man oft in Teams arbeitet. Du bist dir des Raums um dich herum sehr bewusst. Dieser empathische Zugang ist eine Fähigkeit, die man trainieren kann und die ich gerne teilen würde.“ Dazu greife man auch einen politischen Unterton auf, wie Giannotti ergänzte: „Wenn wir den Raum teilen, dann tragen wir auch Verantwortung. Alleine schon durch die Entscheidung, teilzunehmen oder passiv zu bleiben, äußert man sich.“

Wie aber das Publikum einbeziehen? „Es gibt am Anfang eine Szene, die das Eis brechen soll“, erläuterte Pauer. Die Schwierigkeit dabei: Man könne das Stück nicht wirklich üben, eben weil die Zuseher und ihre Beteiligung als unbekannte Variable nicht zu simulieren sind. „Die Dramaturgie nimmt darauf Rücksicht“, so Giannotti. „Es soll nicht zu einer offensiven Konfrontation kommen. Stattdessen geht es eher um Gefühle. Aber natürlich gibt es die Möglichkeit, dass es fehlschlägt. Das ist in das Stück selbst eingeschrieben.“

Klarerweise würde man mehr mitnehmen, wenn man sich auch beteilige, „und nicht nur passiv in einer Ecke hockt“, lachte der Künstler. „Das Stück ist in dieser Hinsicht wie ein Skelett, es gibt eine Struktur vor. Innerhalb können verschiedenste Dinge passieren. Es ist kein undurchsichtiges Gerangel.“ Ergänzt durch die Musik von Paolo Monti, entstehe so ein Fluss an Sequenzen, die ein relativ freies Arbeiten des Teams zulassen. „Jeder Moment könnte ein Anfang oder Ende sein“, unterstrich Pauer. „Wir wollen all das ermöglichen, müssen aber auch für den Klebstoff sorgen, der alles zusammenhält.“

Ob das Publikum nun mitmacht oder nicht, eine Notwendigkeit hat „this is where we draw the line“ in jedem Fall: Die Örtlichkeit, in der das Stück stattfindet. Das Forum Frohner in Krems sei als „White Cube“ geradezu ideal, urteilte Pauer. Und zwar nicht nur aufgrund der Möglichkeit, unterschiedlichste Settings zu imaginieren. „Tanzstudios sind üblicherweise sehr heilige Orte. Du kannst keine Nägel in die Wände schlagen. Aber genau das müssen wir!“, lachte die Tänzerin und bezog sich auf die Seil-Zeichnungen, die auf diese Weise entstehen. „Für einen bildenden Künstler ist das eine sehr eigenartige Situation“, blickte sie ihren Partner schmunzelnd an. Er strich wiederum die Flexibilität ihres gemeinsamen Vorhabens hervor - mit dem Nachsatz: „So lange wir Nägel in die Wand schlagen können.“

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Karin Pauer und Aldo Giannotti: „this is where we draw the line“, Choreografie: Karin Pauer, visuelles Konzept: Aldo Giannotti, Musik: Paolo Monti, Performer: Arttu Palmio und Karin Pauer, Objekte: Peter Fritzenwallner. Uraufführung am 26. April um 18 Uhr im Forum Frohner, weitere Aufführungen am 27. April um 16.30 Uhr sowie am 28. April um 16 Uhr. Weitere Infos und Tickets: www.donaufestival.at)