Ukraine-Wahl - Selenskyj mit über 70 Prozent zum Präsidenten gewählt
Kiew (APA/AFP) - Nach dem Triumph des Politikneulings Wolodymyr Selenskyj bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine hofft der Westen auf R...
Kiew (APA/AFP) - Nach dem Triumph des Politikneulings Wolodymyr Selenskyj bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine hofft der Westen auf Reformen und eine friedliche Lösung der Konflikte in dem Land. Der Schauspieler und Komiker gewann nach vorläufigen Wahlergebnissen rund 73 Prozent der Stimmen.
Amtsinhaber Petro Poroschenko kam am Sonntag auf nur rund 24 Prozent und räumte noch am Wahlabend seine Niederlage ein.
„Ich werde euch niemals im Stich lassen“, versprach der 41-jährige Wahlsieger den Ukrainern. „Als Bürger der Ukraine kann ich allen post-sowjetischen Ländern sagen: ‚Schaut auf uns! Alles ist möglich!‘“ Kritiker werfen dem Politikneuling, der bisher vor allem durch seine Filmrollen bekannt ist, einen unklaren Kurs vor. Zudem sei er nur die Marionette des Oligarchen Igor Kolomoiski, einem mächtigen Gegenspieler Poroschenkos. Selenskyj bestreitet dies.
Für die Ostukraine, in der Regierungstruppen seit Jahren gegen von Russland unterstützte Separatisten kämpfen, kündigte er nun neue Friedensgespräche an. Er werde „die Minsk-Gespräche fortsetzen, sie neu aufnehmen“.
Zudem versprach er, für die Rückkehr derjenigen Ukrainer zu sorgen, die in den von Separatisten kontrollierten Gebieten und in Russland festgehalten würden. Seit Beginn des Konflikts wurden rund 13.000 Menschen getötet.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Selenskyj ihre Unterstützung zu. Die deutsche Bundesregierung werde der Ukraine „insbesondere in ihrem Recht auf Souveränität und territoriale Integrität“ zur Seite stehen. Merkel mahnte aber auch Reformen der Justiz, der Dezentralisierung und der Korruptionsbekämpfung an.
Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, Deutschland werde „eng an der Seite der Ukraine stehen“, um die Umsetzung von Reformen zu unterstützen. Vertreter der Fraktionen von Union, Grünen und Linken im Bundestag drängten ebenfalls auf eine rasche Umsetzung von Reformen und Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk sagten Selenskyj in einem gemeinsamen Brief die Unterstützung der EU im Konflikt um die „Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität“ der Ukraine zu.
EU und NATO bekräftigten nach dem Wahlsieg des Komikers ihren Willen zu einer guten Zusammenarbeit. Glückwünsche für Selenskyj kamen auch von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda, dem britischen Außenminister Jeremy Hunt und der US-Botschaft in Kiew.
Russland, das 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert hatte, zeigte sich zurückhaltend. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in Moskau, es sei „zu früh“, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. Darüber könne nur anhand konkreter „Taten“ Selenskyjs entschieden werden.
Auf Selenskyj warten gigantische Herausforderungen: Neben dem Konflikt um die Ostukraine mit Russland auch die Wirtschaftskrise und die grassierende Korruption. Die westlichen Partner der Ukraine dürften sehr genau verfolgen, wie der politisch unerfahrene 41-Jährige seine Aufgaben angehen wird. Er hat versprochen, den pro-westlichen Kurs seines Vorgängers fortzusetzen.
Der unterlegene Poroschenko kündigte an, den künftigen Präsidenten in der Übergangsphase zu unterstützen. Zugleich bekräftigte der 53-Jährige, er werde sich „nicht aus der Politik zurückziehen“.
Mit Selenskyj gewinnt einmal mehr ein Anti-System-Kandidat eine wichtige Wahl. Sein Erfolg zeigt das große Misstrauen der Ukrainer in die Politiker des Landes. Als Staatschef hat der 41-Jährige zwar eine sehr starke Stellung - allerdings verfügt er bisher über keine Parlamentsmehrheit. Die Parlamentswahlen sind bisher erst für den 27. Oktober vorgesehen.
Die Leiterin der Wahlbeobachtungsmission des Europäischen Parlaments in der Ukraine, Rebecca Harms, sprach von einer „friedlichen und geordneten“ Präsidentschaftswahl. Sie und die anderen Mitglieder der EU-Parlamentsdelegation hätten „keine Vorfälle“ beobachtet, teilte sie am Montag mit. Auch OSZE-Wahlbeobachter zogen ein positives Fazit. Bei der „pluralistischen“ Wahl seien „grundlegende Freiheiten“ respektiert worden.