„Avengers: Endgame“: Ehrenrunden zurück in die Zukunft
Großes Spektakel in 3D mit Action, Humor und viel Melodramatik: Mit „Avengers: Endgame“ erreicht das Marvel-Kino-Universum einen ebenso vorläufigen wie bombastischen Endpunkt. Ab jetzt im Kino.
Von Marian Wilhelm
Innsbruck –Der Staub hat sich gelegt, die Totenruhe nach dem Sturm dauerte zwölf Monate. „Avengers: Endgame“ setzt dort an, wo „Infinity War“ im April 2018 mit einem der brutalsten Cliffhanger der Filmgeschichte aufhörte. Diese Woche startet nun der zweite und (vorläufig) letzte Akt jener Kinoreihe, die die Regeln filmischer Fortsetzungen auf den Kopf stellte. Danach geht das Marvel Cinematic Universe nach 22 Filmen und einem Spiderman-Nachzügler in eine neue, noch unbekannte Phase. Dafür braucht es keinen Cliffhanger. Selbst auf die traditionelle Post-Credits-Szene, die Kommendes andeutet, wird diesmal verzichtet. Endspiel heißt Endspiel. Dass die Geldmaschine des Disney-Konzerns wieder anlaufen wird – geschenkt. Für den Sommer ist ein neuer „Spiderman“-Film angekündigt.
Davor allerdings gilt es Thanos’ Schreckenstat auszumerzen. Der hat am Ende von „Infinity War“ die Hälfte des Universums ausgelöscht. Aber das ist am Beginn von „Endgame“ schon wieder fünf Jahre her. Der Einzige, der eine Ahnung vom Weg zum Happy End hatte, war Doktor Strange. Doch auch der fiel Thanos’ (Josh Brolins) Willen zur „Völkerbereinigung“ zum Opfer. Eine Ansage Stranges kann trotzdem als ultimative Spoiler-Warnung gelten: „Wenn ich dir sage, was passiert, wird es nicht passieren.”
Ganz so streng geht es dann im Vorspiel zum Endspiel doch nicht zu. Die Rückkehr des geschrumpften Ant-Man (Paul Rudd), der Thanos’ Toben im subatomaren Raum überlebte, eröffnet eine Möglichkeit, das Schicksal der Welt ein letztes Mal zurechtzubiegen: Mittels Zeitreise soll die große Vernichtung ungeschehen gemacht werden. Dafür allerdings muss sich Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.) von seinem neu gefundenen Familienglück losreißen – und Thor (Chris Hemsworth) vom Bierfass.
Das Chef-Regieduo der Marvel-Reihe, Anthony und Joe Russo, setzt den finalen Großangriff auf Raum und Zeit routiniert in Szene. Die großen Themen von Versagen und Rache, Idealismus und Opfern sind auf die verbliebenen Avengers verteilt. Neben großer Trauer findet sich auch ausreichend Platz für Schmähs über Zeitreise-Filme. Aus „Zurück in die Zukunft“ etwa wissen die Avengers, dass es gefährlich ist, die Vergangenheit zu ändern. Darauf freilich muss in der Ausnahmesituation gepfiffen werden: In verschiedenen Vergangenheiten soll die Zukunft gerettet werden. Ein Kniff, der dem Film eine Länge von immerhin drei Stunden Laufzeit – und viele groß zelebrierte Abschiedsmomente – beschert. Vor allem aber bietet sich durch diese Drehbuch-Ehrenrunde den Helden die Gelegenheit, ihren Selbsts aus früheren Filmen zu begegnen. Was sich allerdings weit weniger verkopft gestaltet, als man zunächst meinen möchte. Mit der erst vor einem Film eingeführten – im Grunde allmächtigen – Captain Marvel (Brie Larson) als potenzieller Dea ex Machina bleibt auch der groß inszenierte Showdown des Endgames unberechenbar.
Dass am Höhepunkt einer Filmreihe ein so komplizierter Plot steht, während „Infinity War“ noch recht geradlinig geführt wurde, überrascht. Doch der Bruch mit dem linearen Crescendo macht Sinn. Marvel, wie die Welt der Comics überhaupt, liebt selbstreferenzielle Spiegelungen. Zum Abschied werden sie nun als Überdrüber-Spiegelung zelebriert. Schön ist auch, dass Iron Man – mit dem 2008 alles begann – das letzte Wort behält. Doch wie sagt der grüne Hulk (Mark Ruffalo) an einer Stelle so treffend: „Entweder ist alles ein Witz oder nichts.“
Die (bislang) 2867 Minuten Marvel Cinematic Universe hat er damit nicht gemeint.