Forschungsprojekt

,,FLOY“: Das Insekt kommt ins Fleisch

Fliegenlarven... (Fortsetzung beim nächsten Bild)
© Thomas Geiger/Global 2000

Tonnenweise Fisch- und Sojamehl müssen für die Viehzucht importiert werden. Das österreichische „FLOY“-Projekt eröffnet mit der schwarzen Soldatenfliege eine Alternative.

Von Theresa Mair

Wien –Seit Jahren rühren Ernährungsexperten wie die Wiener Food-Forscherin Hanni Rützler die Werbetrommel für Insekten als Eiweißlieferanten der Zukunft. Die Betonung liegt auf Zukunft. Denn für Europäer ist die Heuschrecke auf dem Teller nach wie vor mehr Schreck als Schmankerl. Über Umwege landen die Viecherln jedoch ohnehin in unserem Magen. Denn sie stehen fix auf dem natürlichen Speiseplan von Hühnern, Raubfischen wie Forelle und Lachs und auch von Schweinen.

Das wiederum macht sich „FLOY“ zunutze. In dem österreichischen Projekt – der Name ist ein Kunstwort aus fly (Fliege) und Soja – wird an einem Insektenmehl geforscht, das die in der Landwirtschaft übliche Verfütterung von Fisch- und Sojamehl an Nutztiere zumindest teilweise ersetzen soll. „FLOY“ wurde Ende 2018 von der Umweltorganisation Global 2000 und dem oberösterreichischen Start-up Ecofly ins Leben gerufen. Zusammen mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und dem Bundesamt für Wasserwirtschaft arbeiten sie seither an der Umsetzung des bis 2021 laufenden Projekts. EU, Bund und Länder fördern das Vorhaben mit etwas mehr als 430.000 Euro.

Der Hauptschauplatz von „FLOY“ ist derzeit ein Bauernhof im oberösterreichischen Antiesenhofen. Vor zwei Jahren hat Michael Forster mit Simon Weinberger und Bernhard Protiwensky auf dem Hof seiner Eltern das Start-up Ecofly gegründet. Seit drei Jahren befasst sich das Trio mit Insekten, genauer gesagt mit der Zucht von Larven der schwarzen Soldatenfliege.

...werden in der Ecofly-Anlage (im Bild das Projektteam)...
© Thomas Geiger/Global 2000

Auf Paletten stapeln sich Kunststoffschalen, die mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsresten wie Brauerei­trester oder Erdäpfelschalen gefüllt sind. Davon ernähren sich die Babylarven eine Woche lang und verzweihundertfachen damit ihr Gewicht. Bevor sie sich verpuppen und zur Fliege weiterentwickeln können, sieben die Züchter die Larven dann ab, töten und trocknen sie. „Aus ungefähr 1,2 Kilogramm Reststoffen produzieren wir ein Kilo Larven, die wiederum zu circa einem Viertel aus Protein bestehen“, schildert Forster.

Aus den getrockneten Fliegenlarven stellen die Jungunternehmer Eiweißmehl und Öl her. Individuell gemischt werden die beiden Komponenten bereits an Tierfutterhersteller verkauft, wo sie z. B. als Bestandteil für Spezial-Hundefutter, Fisch- oder Wildvogelfutter weiterverarbeitet werden. „Es würde auch für Hühner Sinn machen. Allerdings ist die Beimischung zu Futter für die Lebensmittelherstellung bisher nur bei Fischen erlaubt.“

...zu Insektenmehl verarbeitet...
© Thomas Geiger/Global 2000

Für die wissenschaftliche Forschung im Rahmen von „FLOY“ hat Ecofly aber schon Futtermittelmischungen hergestellt. „Wir wollen hauptsächlich ein Vermehrungsbetrieb werden, der Babylarven produziert“, sagt Forscher. Die Idee hinter „FLOY“ ist, dass Ecofly die Babylarven an Bauern weitergibt, welche diese eine Woche lang durchfüttern. Die Firma kauft die fetten Larven zurück, verarbeitet diese und verkauft das fertige Produkt an Futtermittelhersteller weiter. Das Konzept mit den Bauern als „Lohnmäster der Larven“ soll 2020 angegangen werden. Zunächst beschäftigt sich Ecofly mit Ausbau und Automatisierung der Anlage.

„Das Innovative an dem Projekt ist die Nachhaltigkeit. Versuche mit Insektenlarven gibt es schon seit vielen Jahren. Wir wollen mit FLOY einen Kreislauf schließen, indem wir landwirtschaftliche Reststoffe wie z. B. Kartoffelschalen wieder für die Insektenlarvenzucht verwenden“, erklärt Global- 2000-Biologe Peter Schweiger das Ziel der Forschung.

Dabei sei es zwar illusorisch zu denken, dass künftig sämtliche Importe von Fisch- und Sojamehl durch regionales Insektenmehl ersetzt werden könnten. Das sei finanziell nicht drin, wobei auch Fischmehl zuletzt im Preis gestiegen sei. Doch zumindest einen Beitrag für die Umwelt würde man damit leisten.

...bevor sie sich zur schwarzen Soldatenfliege entwickeln.
© Thomas Geiger/Global 2000

Denn für den Soja-Anbau müssen riesige Flächen Regenwald weichen. Das bringt die Artenvielfalt in Gefahr. „Fischmehl ist eine ökologische Katastrophe, die angesichts der Überfischung der Meere noch immer unterschätzt wird. Ein Viertel der weltweiten Fischfangmenge wird zu Fischmehl verarbeitet“, schildert der Umweltexperte. Das Wissen aus dem Projekt wird öffentlich zugänglich gemacht. „FLOY soll den Anstoß dazu geben, dass mehr Larvenzuchten entstehen, hofft GLOBAL 2000.

Zurück auf den Teller. Insekteneiweiß wird nur an Tiere verfüttert, die sowieso Käfer und Co. fressen – und wenn es beruhigt: Das Insekt hat noch nie jemand aus dem Hendl herausgeschmeckt.