Ganzes Dorf wehrt sich gegen Deponie in Schwoich
Mit diesem Ansturm hatte niemand gerechnet: 450 Bürger kamen gestern zur behördlichen Verhandlung für die geplante Deponie in Schwoich. Der Betreiber will vom Asbestlager absehen, den Anrainern reicht das nicht.
Von Jasmine Hrdina
Schwoich – Der Turnunterricht fiel gestern für Schwoichs Volksschüler aus, war der dafür vorgesehene Saal doch von rund 450 Interessierten belegt, die zur mündlichen Verhandlung für die geplante Baurestmassendeponie samt Asbestlager erschienen waren. (Zur Veranschaulichung: Schwoich hat knapp 2300 Einwohner.)
Mit fast zwei Stunden Verspätung startete das behördliche Gespräch – zwar hatte man mit einem gewissen Andrang gerechnet und die Verhandlung daher in den großen Mehrzwecksaal verlegt, die Zahl der Teilnehmer überraschte am Ende aber sogar die Vertreter der Bürgerinitiative. „Wenn man bedenkt, dass es sich um einen Mittwochvormittag handelt, wo alle arbeiten müssen“, freute sich Initiativensprecher Armin Hofreiter über die hohe Beteiligung der Schwoicher.
„Es geht hier um unsere Gesundheit und Zukunft – dafür lohnt es sich allemal, einen Tag freizunehmen“, meinte ein Anrainer im Vorfeld. „Jeder Bürger soll hier die Möglichkeit haben, informiert zu werden und seine Fragen zu stellen“, erklärte Verhandlungsleiterin Johanna Pirchmoser-Dejori von der Abteilung Umwelt des Landes Tirol, als sich zum eigentlichen Verhandlungsbeginn um 9.15 Uhr die anstehenden Massen noch immer bis hinaus auf die Straßen drängten. Die Anwesenheit der Presse duldete die Landes-Vertreterin allerdings nicht.
„Wir wollen kein Asbestlager!“ Die Haltung der Anrainer war klar – als Gedächtnisstütze und visueller Verstärker dienten Transparente vor dem Schulgebäude. Dieser Forderung kam der künftige Anlagenbetreiber, die Rohrdorfer Umwelttechnik GmbH, nun auch nach. Man habe die entsprechenden Ziffern für asbesthaltige Betonfaserplatten aus dem Antrag genommen, erklärte Mike Edelmann, GF der Rohrdorfer-Gruppe, gegenüber der TT.
Die Sorgen der Schwoicher um ihre Gesundheit kann Edelmann aber nach wie vor nicht nachvollziehen – die befürchtete Verteilung von Asbestpartikeln durch Wind und Wetter würde es demnach nicht geben. „Schauen Sie aus dem Fenster, auf den Dächern liegen seit 50 Jahren Asbestschindeln, da stören sie auch niemanden. Aber sobald wir sie auf den Boden holen, sind sie plötzlich ein Problem“, ärgert sich der Unternehmer.
Es handle sich dabei nur um eine bestimmte Art von Asbestabfällen. Andere Giftstoffe seien noch im Antrag enthalten, sah Initiativen-Sprecher Hofreiter darin mehr Showeinlage als ein Entgegenkommen. Man fürchte, die Rohrdorfer Umwelttechnik GmbH werde in einigen Jahren erneut um die Ausweitung der genehmigten Stoffe ansuchen – so sei es bereits in anderen österreichischen Gemeinden geschehen. Die Firmenvertreter hätten zwar zu Protokoll gegeben, dies nicht zu tun, rechtlich bindend ist dieses Versprechen allerdings nicht. „Man baut eine große Garage und stellt vorerst nur ein Rad hinein“, bringt es Hofreiter mit einem Vergleich auf den Punkt. Für den Vorschlag der BI, den Bereich für die genannten Schadstoffe im Antrag zu verkleinern, nachdem man ja nun auf einen Teil verzichten wollte, konnten sich die Betreiber nicht begeistern.
Die Bedenken waren thematisch breit gestreut – allein die Gemeinde schickte ihren Anwalt mit einem 20-Punkte-Katalog an Einwänden ins Rennen, der Rechtsvertreter der Bürgerinitiative trug 35 weitere vor. Diese reichten von der provokanten Frage, wieso denn ein Bagger eine Schutzlüftung brauche, die 100 Meter entfernten Häuser, in denen Kinder wohnen, offenbar aber nicht, über den Wasserverbrauch, um die Staubbelastung einzuschränken (kolportierte 100.000 Liter pro Tag), bis hin zur Forderung, dass Material nur aus Tirol angeliefert wird – wobei sich die Firma Rohrdorfer hier nicht einschränken lassen wollte. Immerhin gab es Zugeständnisse bei begrenzten Öffnungszeiten. Zufrieden ist die Bürgerinitiative damit nicht. Auch BM Josef Dillersberger kündigt weiteren Verhandlungsbedarf an. „Sich hinzustellen und zu sagen, ‚Ich lehne das Projekt ab‘, bringt uns nichts, weil es nach dem Abfallwirtschaftsgesetz verhandelt wird.“ Man wolle aber „so viel wie möglich in das Projekt hineinreklamieren und verbessern, dass es für die Bürger zumutbar wird“, so der Dorfchef. „Wenn das Projekt trotz der vielen Auflagen für das Unternehmen interessant ist, wird es nicht zu verhindern sein.“
Die Verhandlung dauerte bei Redaktionsschluss noch an, mit einer möglichen Genehmigung ist ohnehin erst in einigen Wochen zu rechnen.