Notre Dame - Domorganist Latry erleichtert: „Es ist wie ein Wunder“

Wien (APA) - Olivier Latry, einer von drei Titularorganisten der bei einem Brand schwerbeschädigten Pariser Kathedrale Notre Dame, ist erlei...

Wien (APA) - Olivier Latry, einer von drei Titularorganisten der bei einem Brand schwerbeschädigten Pariser Kathedrale Notre Dame, ist erleichtert: „Es ist wie ein Wunder: Die große Orgel ist stark verschmutzt, scheint aber nicht beschädigt zu sein. Das Unglaublichste: Die Thermometer in ihrem Inneren haben im Verlauf des Brandes nie mehr als 17 Grad angezeigt.“ Latry gibt morgen im Musikverein ein Konzert.

Der 57-Jährige war am Montag vergangener Woche gerade in Wien-Schwechat angekommen, als er ein erstes SMS eines Freundes mit einem Foto erhielt: „Notre Dame brennt“. „Ich wusste gar nicht, was das heißen soll, da erhielt ich schon ein weiteres Foto, auf dem der Brand bereits deutlich fortgeschritten war. Ich konnte es nicht glauben. Als ich einen meiner beiden Kollegen erreichte und ihn fragte, was los sei, wusste er gar nicht, was ich meinte. Er hatte die Nachmittags-Messe zwar wegen eines Feueralarms nicht zu Ende spielen können, das aber für keine große Sache gehalten. Dass die Kirche in Flammen stand, hatte er nicht mitbekommen“, erinnert sich Latry im Gespräch mit der APA an die Stunden des Schocks. „An dem Abend haben meine Frau und ich viel geweint.“

Latry wurde bereits im Alter von 23 Jahren zu einem der drei Organisten von Notre Dame bestellt und gilt als einer der besten Kenner der Orgel der Kathedrale. „Sie ist ein wunderbares Instrument. Seit ihren Anfängen haben sich immer die besten Orgelbauer Frankreichs um sie gekümmert. Durch ihre regelmäßigen Restaurierungen und Verbesserungen ist sie, anders als andere Orgeln, die im Originalzustand blieben, eine einzigartige Verbindung von Geschichte und Gegenwart. Alle Veränderungen wurden in enger Abstimmung mit den Organisten vorgenommen.“

Auf dieselbe Vorgangsweise hofft nun Latry auch beim Wiederaufbau der Kathedrale. Obwohl er für die Proben zehn Tage durchgehend in Wien bleiben wollte, habe er es nicht ausgehalten und sei mit seiner Frau zwischendurch für einen Lokalaugenschein nach Paris geflogen, erzählt er. „Dieser Besuch hat mir wieder Mut gegeben. Vorher war ich sehr traurig und hatte große Angst vor dem, was ich sehen würde. Aber an diesem Frühlingstag standen die beiden Türme von Notre Dame wie unversehrt. Okay, das Dach war weg - aber dennoch hat der Besuch mir viel Hoffnung gemacht.“

Zwar könne noch nichts über die Schäden an der Elektrik der Orgel gesagt werden und zur kleineren Chororgel sowie einer dritten, noch kleineren, sei der Zutritt noch gar nicht möglich („Dort war es wohl sehr heiß, und dort könnte auch das Löschwasser geschadet haben.“), doch Latry ist zuversichtlich, dass bereits vor Ablauf der von Staatspräsident Emmanuel Macron abgekündigten Fünf-Jahres-Frist für den Wiederaufbau die große Orgel wieder erklingen werde. „Ich hoffe, dass wir noch vor der kompletten Wiederherstellung, vielleicht in zwei, drei Jahren, dort wieder Messen feiern werden, bei denen auch die Orgel wieder gespielt wird.“

Morgen, Donnerstag, wird Latry die Musikvereinsorgel spielen. Auch sie kennt er gut, schließlich hat er auch schon bei ihrem Einweihungs-Konzert im März 2011 mit zwei Kompositionen von Alexandre-Pierre-Francois Boely und Charles-Marie Widor die 6.138 Pfeifen des „Ferrari unter den Orgeln“ (Martin Haselböck) ordentlich dröhnen gelassen. Diesmal werden die Blechbläser der Wiener Philharmoniker als „phil Blech Wien“ ordentlich mithalten. „Es ist ein sehr schönes Instrument, das wirklich ausgezeichnet zu der tollen Akustik passt. Jedes Register erzählt eine eigene Geschichte.“ Dieser musikalischen Vielfalt will man auch im Programm Rechnung tragen, das von Bach und Händel bis Richard Strauss und Ottorino Respighi reicht.

Der Abend soll ganz der Musik gewidmet sein, daher werde er auch keine Worte an das Publikum richten, mit denen an die Tragödie von Notre Dame erinnert wird, sagt Latry. „Aber ich werde sicher noch viele eigene Konzerte spielen, bei denen ich auch zu Spenden aufrufen werde. Der äußere Wiederaufbau wird sicher genügend Geld bekommen. Wichtig ist es aber, auch auf das Innere nicht zu vergessen. Und auf die 70 Angestellten von Notre Dame. Für meine Kollegen werde ich sicher ein Extra-Konzert geben.“

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Konzert von Olivier Latry und phil Blech Wien, Musikverein, Großer Saal, Do., 25.4., 19.30 Uhr, www.musikverein.at)