Keine Abstimmung über Wahlhürde im Innsbrucker Gemeinderat
Hickhack im Gemeinderat: Mehrheit für eine Stadtrechtsnovelle, aber keine Abstimmung über Vier-Prozent-Klausel. Die Kritik an dieser reißt nicht ab.
Von Manfred Mitterwachauer und Marco Witting
Innsbruck –Politischer Knalleffekt gestern im Innsbrucker Gemeinderat: Kurz bevor die Anträge des Rechtsausschusses mit den brisanten Punkten der Stadtrechtsnovelle behandelt werden sollten, setzte Bürgermeister Georg Willi (Grüne) den Punkt b, der die neue Wahlordnung und die Vier-Prozent-Hürde enthielt, von der Tagesordnung ab. Die Novellierung des Stadtrechts mit dem Aus für die Stadtteilausschüsse und einem neuen Petitionsrecht wurde schließlich mit den Stimmen von Grünen, Für Innsbruck, ÖVP, SPÖ, NEOS und zwei FPÖ-Stimmen beschlossen. Sechs Blaue hatten sich enthalten. Drei Gegenstimmen kamen von Liste Fritz, Gerechtes Innsbruck und ALI – sie übten heftige Kritik am Vorhaben.
Schon am Vormittag hatte sich das Polit-Hickhack angekündigt, nachdem die FPÖ überraschend eine Enthaltung per Aussendung avisierte. Dieser Meinungswechsel kam buchstäblich über Nacht, hatten die Blauen tags zuvor in einer Aussendung doch mit den Regierungsfraktionen gemeinsame Sache angekündigt. FP-Stadtrat Rudi Federspiel begründete dies damit, dass sich ÖVP und Grüne in Stadt und Land nicht abgesprochen hätten: „Wir stehen für ein so lächerliches politisches Bauerntheater der ÖVP und der Grünen sicherlich nicht als Darsteller zur Verfügung.“
Weil bei einer Enthaltung der FPÖ und der Kleinstfraktionen das notwendige Quorum nicht gegeben gewesen wäre und BM Willi die Wahlordnung auf breiter Basis haben wollte, setzte er den Punkt von der Tagesordnung. Es soll jetzt weiter Verhandlungen darüber geben.
Die generelle Kritik an der Wahlordnung reißt indes nicht ab. Sollte das Land die Novelle letztlich absegnen, so wäre Innsbruck laut dem Innsbrucker Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer die einzige Landeshaupt- und Statutarstadt Österreichs mit einer derartigen Prozenthürde für den Einzug in den Gemeinderat.
Wie so viele interessiert Karlhofer insbesondere das Motiv hinter dieser Änderung. Die Viererkoalition und die oppositionelle FPÖ begründeten dies im Vorfeld damit, künftig die Zersplitterung des Gemeinderates verhindern und somit die Regierbarkeit der Stadt verbessern zu wollen. Derzeit sitzen vier Ein-Mandat-Fraktionen im Innsbrucker Gemeinderat. Karlhofer kann diesem Motiv aber nichts abgewinnen: „Die Kleinstparteien sind sicher kein Stabilitätsproblem. Eher ist das der Umstand, dass sich immer wieder wechselnde Mehrheiten der größeren Parteien gegen den Bürgermeister formieren.“ BM Willi bekam dies in seinem ersten Amtsjahr bereits mehrfach zu spüren. Auch für die geplante Abschaffung der Stadtteilausschüsse erkennt Karlhofer keinen triftigen Grund. Angesichts der Erhöhung der Einstiegshürden für Bürgerinitiativen – bei gleichbleibend hoher Finalhürde, die realpolitisch nicht zu schaffen ist – sei es besser, dieses direktdemokratische Mittel gleich gänzlich zu streichen, so Karlhofer.
Unterm Strich wertet der Politologe das Vorhaben des Gemeinderates als „Appell für eine Anlassgesetzgebung“ an den Landtag. Inhaltlich sei diese Novelle „kein großer Wurf und nicht adäquat für eine Stadt dieser Größe“. Und ebenso kein Zeichen für mehr Bürgernähe. Dass diese Initiative unter einem grünen Bürgermeister erfolge, sei bemerkenswert, so Karlhofer.
Im Land weiß Schwarz-Grün noch nicht so recht, wie sie mit den Stadtwünschen umgehen soll. Abwarten und prüfen, lautet vorerst die Devise. Die Liste Fritz zeigt sich gestern erneut bestürzt über das „mangelnde Demokratieverständnis“ von BM Willi und Co. LA Markus Sint wertet die Novelle als „schweres Foul an den Bürgern und ein Rückschritt in die demokratiepolitische Steinzeit“, den man im Landtag „mit allen Mitteln bekämpfen“ werde.
Landespolitisch kam gestern einzig von den NEOS Applaus. Doch während für Innsbruck die höhere Vier-Prozent-Hürde beklatscht wird, fordert Klubchef Dominik Oberhofer für den Landtag genau Gegenteiliges: nämlich eine Senkung der derzeit geltenden Fünf- auf eben besagte Vier-Prozent-Hürde.