Elefantenrunde in Salzburg: EU-Visionen der sechs Kandidaten
Bei der Diskussion im Saal der Salzburger Nachrichten träumen die einen von einer Republik Europa, die anderen wollen Österreich den Vorzug geben. Die jugendlichen Zuhörer interessierte vor allem das Internet.
Von Alfred Pfeiffenberger, SN
Salzburg — In rund einem Monat wird das Europäische Parlament gewählt. Am Freitag fühlten im Saal der Salzburger Nachrichten (SN) rund 250 Schüler den Spitzenkandidaten auf den Zahn. Ausgerichtet wurde die Elefantenrunde von den Bundesländerzeitungen — darunter auch die Tiroler Tageszeitung.
In den kurzweiligen zwei Stunden der Diskussion wurde einmal mehr deutlich: EU-Politik in Österreich ist vor allem eine Auseinandersetzung zwischen der FPÖ mit Frontmann Harald Vilimsky und den fünf anderen Kandidaten Othmar Karas (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Claudia Gamon (NEOS), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (Liste Jetzt).
So dauerte es nicht lange, bis sich Schieder und Vilimsky ein heftige Debatte lieferten. Schieder wies darauf hin, dass er mit der FPÖ keine Politik machen wolle, und warf den Freiheitlichen ihre Nähe zu den rechtsextremen Identitären vor. Vilimsky konterte, dass die SPÖ erst vor Kurzem den Geburtstag Lenins, der ein Massenmörder gewesen sei, gefeiert habe.
Auch darüber, was die Zukunft der EU betrifft, hatten die Spitzenkandidaten unterschiedliche Vorstellungen. Außer Vilimsky waren sich jedoch alle einig, dass die EU künftig eine größere Rolle spielen müsse und die Nationalstaaten mehr Kompetenzen und Rechte an die EU abtreten sollten.
Dementsprechend erteilte Vilimsky auch einem Vereinigte Staaten von Europa eine Absage. Österreich dürfe nicht in einem europäischen Zentralstaat aufgehen, befand er. Gamon hingegen sprach sich klar dafür aus — am besten sofort, wie sie sagte. Schieder plädierte für einen europäischen Wohlfahrtsstaat und meinte, dass die Strukturen der EU reformiert gehörten. Auch eine Direktwahl der Kommission kann er sich vorstellen, ebenso wie Kogler. Voggenhuber wiederum brachte das Konzept einer Republik Europa ins Spiel. Eine Republik stehe für res publica, zu der sich die Bürger zusammenschlössen — eine europäische Demokratie. Karas wiederum sagte, es spiele keine Rolle, wie ein neues Konstrukt heiße, es müsse aber eine europäische Souveränität geben, die weit über die derzeitige Zusammenarbeit hinausgehe.
Der Klimaschutz ist für Kogler die Überlebensfrage der Zukunft. Er plädierte für eine CO2-Steuer und verwies darauf, dass etwa Kerosin für Flugzeuge oder Schweröl für die Schifffahrt derzeit überhaupt nicht besteuert würden. Karas wiederum befand, dass Steuern allein nicht ausreichten, sondern auch technische Alternativen entwickelt werden müssten. Gamon und Schieder sind ebenfalls für CO2-Steuern. Vilimsky hingegen musste erklären, warum die FPÖ das Pariser Klimaschutzabkommen ablehnt. Dies sei, weil dadurch Atomkraftwerke als Alternative infrage kämen, was man nicht wolle, sagte er. Die EU könne zum Klimaschutz jedenfalls einiges beitragen, etwa indem sinnlose Tiertransporte durch Europa verhindert werden und gegen Tierfabriken vorgegangen werde. Regional zu produzieren und einzukaufen, sei klimaschonend.
Der Stream zum Nachsehen
- Die gesamte Konfrontation zum Nachsehen gibt es im EU-Wahlblog unter https://go.tt.com/2L6NYG5
Die Schüler im Saal interessierte bei der abschließenden Fragerunde vor allem die Urheberrechtsreform. Dass Upload-Filter verwendet werden müssen, damit Inhalte nicht illegal verbreitet werden, missfällt den Jugendlichen. Dies sei eine Einschränkung der Freiheit im Netz. Gamon schließt sich dieser Meinung an. Auch Schieder sprach sich gegen Upload-Filter aus. Anders sah das Karas. Es müsse auch im Digitalbereich einen Schutz des geistigen Eigentums geben.
Die Zusammenfassung der Elefantenrunde:
Buhlen um die Erstwähler
Von Serdar Sahin
Salzburg — Ein kühler Wind weht am Freitagmorgen durch die Stadt Salzburg. Am Hauptbahnhof beobachtet ein schwerbewaffneter Polizist die Umgebung. Das dürfte nichts mit der Veranstaltung zu tun haben, erklärt später ein anderer Beamter. Vielleicht ist es wegen eines Geldtransports, sagt er. „Salzburg ist eine sichere Stadt", versichert der Polizist lächelnd. Im Saal der Salzburger Nachrichten (SN) angekommen, machen sich Sicherheitsbeamte ein Bild von den Räumlichkeiten. Dort werden bald die Spitzenkandidaten der heimischen Parteien bei der EU-Wahl debattieren. Das Publikum ist jung, es sind Schüler aus der Oberstufe — sie seien Erstwähler, die beim Urnengang das erste Mal ihre Stimme abgeben dürfen, sagt SN-Chefredakteur Manfred Perterer zum Auftakt der Debatte.
Zuvor — kurz vor zehn Uhr — trudeln die ersten Schüler ein, dann geht es recht schnell. Der Saal ist bald komplett voll. Rund 250 Schüler sind da. Und ihnen wird einiges geboten. Beim verbalen Schlagabtausch zwischen SPÖ-Kandidat Andreas Schieder und seinem FPÖ-Gegenüber Harald Vilimsky geht ein Raunen durch den Saal. Auch der Liste-Jetzt-Kandidat Johannes Voggenhuber greift Vilimsky heftig an. Ein FPÖ-Plakat vergleicht er mit Darstellungen des nationalsozialistischen Stürmer, so wie es Armin Wolf im ORF getan hat. Vilimskys Replik: „So etwas Dämliches hab' ich noch nie gehört." Die Aufregung legt sich, als mehr auf Inhalte eingegangen wird. Dem Applaus und den Zurufen zu urteilen, kommen NEOS-Frontfrau Claudia Gamon und Grünen-Chef Werner Kogler am besten beim Publikum an.
Zwei Stunden buhlten die Politiker um die jugendlichen Stimmen. Dann ist Schluss. Nicht für Vilimsky und Gamon — die mussten schnell wieder nach Wien. Der offizielle Wahlkampfauftakt wartete nämlich auf die beiden.