Das neue Kaiserpaar bietet den Japanern so manche Premiere
Tokio (APA/Reuters) - Mit dem neuen Kaiserpaar Naruhito und Masako gehen für das japanische Volk am 1. Mai mehrere Premieren einher. Beide h...
Tokio (APA/Reuters) - Mit dem neuen Kaiserpaar Naruhito und Masako gehen für das japanische Volk am 1. Mai mehrere Premieren einher. Beide haben Universitätsausbildung, sind mehrsprachig, lebten mehrere Jahre außerhalb Japans. Für die althergebrachten Traditionen des japanisches Kaisertums geradezu undenkbar: Der künftige Tenno soll bei seinem Auslandsaufenthalt zum Studieren in Oxford seine schmutzige Wäsche selbst gewaschen haben.
Während das Paar sich vorbereitet, Statur als Staatssymbol zu erlangen, hoffen viele Japaner, dass Naruhito und Masako ihre Funktion internationaler anlegen und zugleich mehr Kontakt zum Alltagsleben ihrer Untertanen haben.
„Ich denke, es gibt die Möglichkeit für diese neueste Generation kaiserlicher Familienmitglieder, ein bisschen Grenzen auszuloten“, sagt Shihoko Goto vom US-Forschungszentrum Wilson Center. Sie begründet das unter anderem mit der Erfahrung der 55-jährigen Masako als Diplomatin. „Sie haben einen einzigartigen Werdegang und ich glaube, sie haben ein Interesse daran und sie sollten die Palette an Fähigkeiten dazu haben, sich mehr einzubringen.“ Bis 1946 nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg sei der Großvater Naruhitos, Hirohito, noch als Gott betrachtet worden, gibt Goto zu Bedenken.
Der scheidende Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko, die als Novum den Kronprinzen ausschließlich selbst aufzogen, suchten die Nähe der Bürger, insbesondere wenn es nach Katastrophen darum ging, sie zu trösten. Akihitos Abdankung, die erste eines Tenno seit fast 200 Jahren, zog auch Diskussionen über die Rolle des Kaisers nach sich.
„Es gab klar zwei Sichtweisen. Die eine, dass der Kaiser wie Akihito aktiv sein und mit den Menschen sprechen sollte, und die andere: Alles, was er zu tun braucht, ist zu beten“, so ein ehemaliges Mitglied des kaiserlichen Haushaltes. „Aber wenn man an die Zukunft denkt, glaube ich nicht, dass wir die zwei Optionen haben: Ein Kaiser der bloß existiert, würde nie das Vertrauen und die Empathie des Volkes gewinnen.“
Obwohl Naruhito (59) dort ansetzen will, wo seine Eltern aufhören, hat er auch deutlich gemacht, dass sich die Monarchie anpassen muss. Laut Beobachtern könnte das heißen, dass der Kaiser seine Stimme mehr erhebt, mehr den Japanern die Hand entgegenstreckt und die Bedeutung der kaiserlichen Familie für die Identität Japans mehr in die Waagschale wirft.
„Angesichts der heutigen Zeiten sollte die kaiserliche Familie Dinge wie Soziale Netzwerke nutzen, um ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen“, meint die Psychiaterin Rika Kayama, die ein Buch über die Frauen in der kaiserlichen Familie geschrieben hat. „Wenn nicht mit Worten, dann mit Fotos auf Instagram.“ Sie verweist auf Selfies mit Passanten, für die Naruhito im Ausland posiert hat.
Insbesondere Masako könnte Dinge zu sagen haben. Sie hatte lange damit zu kämpfen, was in Worten des Palastes eine „Anpassungsstörung“ war. Sie wurde daher für rund zehn Jahre aus der Öffentlichkeit ferngehalten. Noch-Kaiserin Michiko wird dagegen oft Fehlerlosigkeit in ihrer Hingabe an ihre Rolle attestiert. „Wenn Masako Katastrophenopfer besucht, werden sie spüren, dass Masako wie sie selbst harte Zeiten erlebt hat“, schätzt Hideya Kawanishi, assistierender Professor für Geschichte an der Universität Nagoya. „Mehr als ein Gefühl der Dankbarkeit bei Michiko werden sie (bei Masako) Empathie spüren. Sie wird ihnen näher erscheinen.“ Öffentliche Botschaften Masakos bringen Besorgnis über verarmte oder von Problemen geplagte Kinder zum Ausdruck. Hier könnte sie als Kaiserin einen Schwerpunkt setzen.
Naruhito hat die Geschichte der Schifffahrt auf der Themse im Mittelalter erforscht. Er interessiert sich für den Wasser- und Umweltschutz allgemein und hat ins Spiel gebracht sich in Sachen Klimaerwärmung zu engagieren. „Das kommt seinen eigenen Interessen, dem nationalen und dem grenzüberschreitenden Interesse entgegen. Es gibt viele solche Themen (...) sie haben eine einzigartige Position, die sie dafür nutzen könnten“, sagte die Analystin Goto. „Dinge wie die Umwelt oder für ein besseres Verständnis und Dialog über Grenzen hinweg in einer Zeit, in der die Welt kurzsichtiger und voneinander abgeschotteter wird.“
Dabei gilt Japan freilich als konservativ und nicht gerade offen für Veränderungen. „Sogar der jetzige Kaiser und die Kaiserin ernteten viel Kritik. Zum Beispiel wurde Michiko vorgeworfen, ‚die Autorität des Kaisers zu beschädigen“, als sie sich hinkniete, um Menschen zu trösten und sie an den Händen nahm“, so Historiker Kawanishi. „Daher werde sie Schritt für Schritt ihre Handschrift hinterlassen. Sie werden ein bisschen was verändern, abwarten, und dann wieder ein bisschen was verändern.“